Was ist schon selbstverständlich?
Betrachten wir kurz den Namensgeber dieser Zeitung. Das Ennstal: Fruchtbare Böden, satte Wiesen und Weiden, auf denen im Sommer das Vieh weidet und im Winter Schnee ruht, vom Talboden bis hoch zu den Almen. Aus grünen ...
Was ist schon selbstverständlich?
Betrachten wir kurz den Namensgeber dieser Zeitung. Das Ennstal: Fruchtbare Böden, satte Wiesen und Weiden, auf denen im Sommer das Vieh weidet und im Winter Schnee ruht, vom Talboden bis hoch zu den Almen. Aus grünen Wäldern ragen Berge empor, die auch zum Wandern und Skifahren einladen, wo die reine Luft durchatmen lässt. Tausende Quellen mit kristallklarem Trinkwasser münden in die Flüsse und Seen. Menschen, die seit Generationen hier arbeiten und die Landschaft prägen – aus Notwendigkeit, Idealismus und Liebe. Wir sind eingeladen zum Staunen über dieses „Paradies“, das Ennstal.
In diesen Wochen feiern wir in unseren Pfarren das Erntedankfest. Es ist wieder Zeit, DANKE zu sagen, für das, was für viele Menschen in dieser Welt nicht selbstverständlich ist: eine gute und gerechte Lebensgrundlage zu haben. Gerecht zu teilen fällt der Menschheit schwer. Nicht wenige kommen, mitten unter uns und oft unsichtbar, sprichwörtlich „unter die Räder“. Brüche und Einschnitte – nicht nur durch die Seitentäler und Berge des Ennstales, sondern auch in unseren Lebenswelten.
Erntedank ist mehr als ein Fest im Kirchenjahr. Es erinnert und ermutigt uns zu einer Haltung der Dankbarkeit. Wir ernten nicht nur am Feld, am Acker und im Wald. Wir ernten auch, indem wir dankbare Menschen sind. Dazu reicht es nicht aus, ab und zu DANKE zu sagen. Dankbarkeit zeigt sich in unserer Lebenseinstellung. Wie begegne ich meinem Nächsten, meiner Familie, meiner Umgebung? Erwarte ich eine Gegenleistung? Knüpfe ich meine Liebe an Bedingungen? Kann ich auch annehmen, wenn mir jemand hilft – ohne Stolz, ohne Rechtfertigung?
Im Sonntagsevangelium werden von Jesus zehn Kranke geheilt. Nur einer kehrt zurück, um DANKE zu sagen. An ihm zeigt sich, dass Dankbarkeit Herzen verändert und neue Wege öffnet. Er weiß, dass er nicht nur geheilt, sondern auch angenommen ist. Die anderen haben keine Zeit, sie haben Nachholbedarf, Ansprüche an das Leben. Sie haben nicht genug. Diese Erzählung zeigt: Das Gegenteil von Dankbarkeit ist Selbstbezogenheit. Wer nur auf sich schaut, hält vieles für selbstverständlich. Dankbare Menschen wissen, dass sie in Beziehungen leben – zu Mitmenschen, zur Schöpfung, zu Gott. Wir übersehen oft unsere Nächsten und stapeln vor uns auf – materiell wie geistig. Das Atmen fällt zunehmend schwer. Das „Danke“ verstummt.
So ladet uns Erntedank ein, Dankbarkeit bewusst und verantwortungsvoll zu leben. Führen wir uns jeden Tag wenigstens eine Sache vor Augen, für die wir dankbar sind. Schlechtes und Schlimmes können wir damit nicht wegzaubern, aber vielleicht erträglicher machen.
ErnteDANK lädt zum Nachdenken ein:
Haben WIR genug?
Hast DU genug?
Habe ICH genug?
Danke, dass wir danken dürfen. Es ist nicht selbstverständlich.
Christian Forstner
Religionslehrer