Zwischen Brauchtum und lautem Spektakel
13.12.2024 RegionalesWährend sich Nikolospiele auf die Tradition besinnen, entwickeln sich pompöse Krampusläufe, die sich in ihrer Schrille gegenseitig zu übertrumpfen versuchen. Ist der Zauber bei all der Lautstärke ...
Während sich Nikolospiele auf die Tradition besinnen, entwickeln sich pompöse Krampusläufe, die sich in ihrer Schrille gegenseitig zu übertrumpfen versuchen. Ist der Zauber bei all der Lautstärke verloren gegangen? Eine Spurensuche.
Pünktlich mit Beginn des Öblarner Krampusspiels setzte am vergangenen Samstag, dem 7. Dezember, leichter Schneefall ein. Magisch präsentierte sich die Kulisse des Öblarner Hauptplatzes. Die nachgestellte Bauernstube gewährte dem dicht gedrängten Publikum einen Einblick in die Krampusnacht, wie sie sich vor Jahrhunderten zugetragen haben könnte. Die Texte sind zum Teil über mehrere Generationen mündlich überliefert worden. Neben Luzifer, Zerberus und dem Heiligen Nikolaus tragen weitere Figuren wie der Tod, der Winter, der Sommer und der Wind ihre geschichtsträchtigen Verse vor.
Spiele als Kulturerbe
Die Ursprünge der Nikolospiele lagen in den Stuben der Bauernhäuser. Über viele Jahrhunderte zogen Krampusgruppen von Hof zu Hof und führten die Stücke dort auf. Schon Erzherzog Johann berichtete in seinem Tagebuch über eine Aufführung des Öblarner Krampusspiels im Schloss Gstatt vor gut zweihundert Jahren. Es gibt zwar noch Stationen auf gewissen Höfen, die jährlich besucht werden, doch die Gelegenheiten, das Spiel aufzuführen, wurden weniger. Also entschieden sich die Öblarner Krampusse, das Stück am Hauptplatz zu inszenieren und so einer breiten Öffentlichkeit zuzuführen.
Einen ähnlichen Zugang hat man beim Bad Mitterndorfer Nikolospiel. Fünfmal wird das Stuben- und Umzugsspiel jedes Jahr am 5. Dezember an verschiedenen Orten aufgeführt. Der Tross zieht an diesem Abend durch Ortsteile von Bad Mitterndorf. Sowohl das Öblarner als auch das Bad Mitterndorfer Spiel wurden von der Unesco zum Kulturerbe ernannt.
„Ökonomisierung und Eventisierung“
Im Kontrast zu den Jahrhunderte alten Spielen haben sich in den letzten Jahrzehnten Krampusläufe etabliert. Dort hat sich eine eigene Szene gebildet und unzählige Passen haben sich formiert. Die ersten Läufe beginnen bereits Mitte November und erstrecken sich bis ins neue Jahr. Die Inszenierung ist meist ein Spektakel, bei dem sich die einzelnen Gruppen gegenseitig übertrumpfen möchten. „Die Ökonomisierung und die Eventisierung wirken sich auch auf Bräuche aus“, sagt Ethnologe Michael Greger, der betont: „Wir Volkskundler sind aber keine Brauchtumspolizei mehr, die bestimmt was ein Brauch ist und was nicht.“ Vielmehr versuche man Sinnzusammenhänge herzustellen. So haben sich die Grusel- und Sehgewohnheiten der Menschen verändert und die Entwicklungen in der Krampusszene könne man als eine regionale Antwort auf die Globalisierung sehen.
Hunderte Krampusse, tausende Besucher
Mit 57 Passen aus Österreich, Deutschland, Südtirol und der Schweiz, 900 Krampussen und 6000 Zusehern ist der Schladminger Krampuslauf der größte in der Steiermark. Die Veranstaltung gilt als eine der ersten dieser Art. Seit einigen Jahren übernimmt die Eventagentur Hikimus die Organisation. „Wir achten bei der Auswahl der Passen auf einen bunten Mix“, sagt Geschäftsführer Achim Wippel, doch wie die Gruppen auftreten, bleibt ihnen selbst überlassen. Im Vordergrund steht die Unterhaltung und weniger das Brauchtum. Über einen ähnlichen Zulauf freut sich der Krampuslauf in Gröbming von der Exitus-Pass.
Sowohl der Besucherandrang als auch jener seitens der Krampusse ist enorm. 45 Gruppen mit insgesamt 650 Teilnehmern lockten mehrere tausend Zuseher zu dem zweistündigen Spektakel. An die 120 Passen würden gern dabei sein. Fast zwei Drittel davon können nicht mitlaufen, ansonsten würde es zu lange dauern. Bei der Auswahl achtet man auf Ausgewogenheit und Abwechslung. Vorgaben, wie die Kostüme auszusehen haben, gibt es aber keine.
Brauchtum oder nicht?
Diese Umzüge seien selbstverständlich legitim, sagt Gert Planitzer vom Öblarner Krampusspiel, doch „mit Brauchtum hat das nichts mehr zu tun. Mich erinnern diese zombieähnlichen Horrorgestalten eher an einen Faschingsumzug.“ Außerdem würde es nicht in die Adventzeit passen, wenn in der stillsten Zeit des Jahres krachende Hardrockmusik aus überdimensionierten Lautsprechern donnert und Krampusse mit Silvesterfeuerwerk und Kettensägen durch den Ort laufen. Simon Dankl maier von der Exitus-Pass zieht eine Grenze zwischen traditionellem Brauchtum und den Läufen: „Unsere Krampusgruppe möchte das Traditionelle bewahren. Deswegen statten wir am 5. Dezember Hausbesuche ab, bei denen wir auch unsere alten Masken verwenden.“ Den Umzug ordnet er nicht direkt dem Brauchtum zu, „das ist eine Show-Veranstaltung“.
Laute Show in stiller Zeit
Die Inszenierungen der Krampusläufe werden traditionelle Nikolospiele nicht ablösen, wenngleich Metal-Musik, Feuerwerk und Zombie-Masken die Spuren zum Brauchtum verwischen. Die Beliebtheit beider Formate zeigt eine Koexistenz nebeneinander. Ob die lauten Shows in die stille Adventszeit passen, ist eine andere Frage.