Kommentar: Zum Erdrutschsieg der FPÖ
04.10.2024 MeinungErstmals in der Geschichte Österreichs geht die FPÖ als stimmenstärkste Partei bei einer Nationalratswahl hervor. Ein Grund dafür dürfte wohl bei Corona liegen.
Während die FPÖ ein Rekordergebnis einfahren konnte, muss die ÖVP ...
Erstmals in der Geschichte Österreichs geht die FPÖ als stimmenstärkste Partei bei einer Nationalratswahl hervor. Ein Grund dafür dürfte wohl bei Corona liegen.
Während die FPÖ ein Rekordergebnis einfahren konnte, muss die ÖVP herbe Verluste bei der Nationalratswahl einstecken. Da bildete auch der Bezirk Liezen bzw. die Steiermark keine Ausnahme. Damit verliert die einzige Nationalratsabgeordnete aus der Region ihr Mandat. Für einen Einzug ins Parlament fehlten Corinna Scharzenberger (ÖVP) 3600 Vorzugsstimmen. Eine Riesenüberraschung stellt das Ergebnis nicht dar, prognostizierten doch sämtliche Umfragen schon Monate zuvor das Stimmungshoch zugunsten der Freiheitlichen Partei. In Erinnerung sei gerufen, dass die FPÖ bei der Nationalratswahl 2017 bei 26 Prozent lag und damit hauchdünn hinter der SPÖ auf dem dritten Platz. Mit Ibiza setzte es 2019 einen blauen Dämpfer, doch das machttrunkene Geschwafel von HC Strache in einer Finca scheint mittlerweile Schnee von gestern zu sein.
Ganz so schnell dürfte das Kurzzeitgedächtnis aber dennoch nicht verblassen. Ich wage die These aufzustellen, dass der beachtliche Wählerstrom von der ÖVP und den Nichtwählern hin zur FPÖ vor allem einem Thema geschuldet ist. Corona. In den Analysen und in den Wählermotiven findet dieses nicht unwesentliche Mosaiksteinchen wenig Beachtung. Selbst wenn die freiheitliche Ideologie bei manchen Wählern nur eine geringe Schnittmenge ergab, dürfte das Killer-Argument "Corona" Stimmen zur FPÖ gespült haben. Prägten zu Beginn der Pandemie noch Zusammenhalt und gegenseitiges aufeinander Acht geben die Gesellschaft, rissen später unüberwindbare Gräben auf. Die harten Worte der Verantwortungsträger und die immer enger gezogenen Daumenschrauben, bestellten zudem einen fruchtbaren Boden für Verschwörungstheorien. Und so haben es führende Politiker geschafft, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben. Mit zwei Jahren Verspätung bekamen nun die Verantwortlichen vergangenen Sonntag die Rechnung dafür präsentiert.
Trotz des eindeutigen Wahlsieges, wird sich eine Mehrheitsfindung im Parlament schwierig gestalten. Bleiben alle Parteien bei ihren Ankündigungen – niemand will mit der (Kickl-)FPÖ regieren – ist eine Regierungsbildung für die Freiheitlichen schon einmal erledigt. Da scheint bei allen Barrieren eine Schwarz-Rot-Pink-Koalition schon realistischer.
In der Grazer Burg dürften angesichts des Wahlergebnisses die Nerven blank liegen. Der ÖVP droht bei den Landtagswahlen Ende November ein ähnlicher Absturz. Einen „Kurz“-Rückenwind, welcher 2019 das Ergebnis auf 36 Prozent pushte, wird es dieses Mal nicht geben. Auch im Steirischen Landtag wird eine Mehrheitsfindung interessant, sollte Drexlers Wunschkoalition SPÖVP keine Absolute zustande bringen. Und laut den letzten Umfragen sieht es derzeit nicht danach aus. Gleich wie im Bund dürfte eine Regierungsbeteiligung im Land für die ÖVP gesetzt sein. Mit der FPÖ lie- ße sich vermutlich ein gemeinsamer Nenner finden. Den Landeshauptmann wird die Volkspartei aller Voraussicht nach nur in einer Dreierkoalition stellen können.
Stephan Fuchs, Chefredakteur redaktion@derennstaler.at