Im Selbstverteidigungskurs lernen Kinder, in Notsituationen alleine zu agieren. Denn im Ernstfall kann die richtige Reaktion Leben retten.
Es ist kalt und regnerisch. Doch das scheint den 14 Mädchen und zwei Buben nur wenig auszumachen. Teils kurzärmelig und ...
Im Selbstverteidigungskurs lernen Kinder, in Notsituationen alleine zu agieren. Denn im Ernstfall kann die richtige Reaktion Leben retten.
Es ist kalt und regnerisch. Doch das scheint den 14 Mädchen und zwei Buben nur wenig auszumachen. Teils kurzärmelig und barfuß sitzen sie unter einem einfachen Holzdach auf ausgelegten Trainingsmatten. Warm wird ihnen ohnehin gleich werden. Für eine Recherche durfte ich ein Selbstverteidigungscamp in Wien besuchen und mir ansehen, wie Kinder eigentlich lernen sich zu wehren.
Die Kinder wiederholen gerade das Gelernte von gestern. Die Griffe müssen fleißig geübt werden, damit sie in einer Notsituation schnell abrufbar sind. Denn genau auf solche werden die Kinder im Selbstverteidigungscamp der Sportschule Wien in Floridsdorf auf kindgerechte Art und Weise vorbereitet.
„Wenn euch jemand beleidigt oder schubst, dann ist das keine Notsituation. Denkt euch euren Teil und geht weiter. Es ist aber sehr wohl eine Notsituation, wenn euer Leben in Gefahr ist“, wird den Kindern erklärt. Jamal schaut mit ernstem Blick in die neugierigen Gesichter. Er und Amir sind die beiden Trainer im Selbstverteidigunscamp. Die beiden Männer bringen den Kindern Schritt für Schritt bei, wie sie sich im Ernstfall richtig verhalten müssen. „Erwachsene können sich meistens irgendwie wehren, aber Kinder sind Kinder. Da kann man nichts dem Zufall überlassen“, sagt Jamal beim Gespräch auf den Trainingsmatten.
Wo das Böse lauert
Auch wenn die Sommerferien gerade erst so richtig in Fahrt kommen, der nächste Schulstart kommt schneller als den Kleinen lieb ist. Für tausende Kinder wird es der erste sein. Viele von ihnen werden fortan auch den täglichen Schulweg alleine bestreiten. Ein bedeutender Schritt für Autonomie und Selbstständigkeit, der bei vielen Eltern ein mulmiges Gefühl auslöst. Ein Problem, dem man im ländlichen Bereich noch eher gelassen entgegenblickt. In der Großstadt sieht das schon ganz anders aus. Auch die Trainer Jamal und Amir wissen um die Gefahren Bescheid, denen Kinder am Schulweg begegnen können. Im Selbstverteidigungskurs werden Sie deshalb auf spielerische Art und Weise darauf vorbereitet.
Keine Angst machen
Auch abseits der Trainingsmatten müssen Kinder auf den Schulweg vorbereitet werden. Der Schulweg sollte, vor allem mit Schulanfängern, bereits vor Schuleintritt einige Male geübt werden. Dabei sollen Eltern gemeinsam mit den Kindern Schutzinseln definieren, auf die die Kinder im Ernstfall zurückgreifen können. Das können belebte Straßen, Geschäfte oder Restaurants sein – immer dort, wo viele Menschen sind. Die Kinder sollen klar und verständlich auf Gefahren hingewiesen werden. Wenn man aus einem Auto heraus angesprochen wird, Abstand halten und weitergehen. Keine Geschenke annehmen, nie bei Fremden einsteigen oder mit ihnen mitgehen. Gefahren, die unser Gehirn längst als logisch abgespeichert hat, Kinder aber schnell übersehen. Wenn Kinder die Möglichkeit haben, den Schulweg gemeinsam mit anderen zu bestreiten, anstatt allein unterwegs zu sein, sollte diese unbedingt genutzt werden.
Im Ernstfall sollen die Kinder vor allem versuchen, „niemals das Opfer zu werden“. Im Selbstverteidigungscamp bekommen sie dafür das notwendige Know-how und Selbstbewusstsein. Nach einer erfolgreichen Trainingseinheit klatscht Trainer Jamal in die Hände der Kinder ein. „Mega stark!“, lobt er seine Schülerinnen und Schüler. Auch er ist beeindruckt davon, wie viel die Kinder in dieser kurzen Zeit bereits gelernt haben.
Elisa Schütz