Was ist normal?
27.06.2025 Junges EnnstalWer entscheidet, was normal bedeutet? Und was passiert mit jenen, die nicht in diesen Rahmen der Normalität passen? Zwischen Vielfalt, Anpassung und gesellschaftlichen Maßstäben.
Auf die Frage „Was ist normal?“ scheint vielen Menschen eine ...
Wer entscheidet, was normal bedeutet? Und was passiert mit jenen, die nicht in diesen Rahmen der Normalität passen? Zwischen Vielfalt, Anpassung und gesellschaftlichen Maßstäben.
Auf die Frage „Was ist normal?“ scheint vielen Menschen eine Antwort auf der Zunge zu liegen. Beschäftigt man sich jedoch mit dem Themengebiet, merkt man schnell, dass es sich bei dieser Frage durchaus um keine einfache Frage handelt. Der Begriff „normal“ ist bereits so tief im Alltag der Menschen integriert, dass es vielen gar nicht mehr auffällt, wie sie ständig Dinge kategorisch in normal und nicht normal einteilen. Es passiert bereits unbewusst. Der Begriff Normalität schafft nämlich Ordnung, Orientierung und manchmal Sicherheit. Doch was den meisten nicht bewusst ist, ist, dass der Begriff ebenso ausschließend, stigmatisierend und diskriminierend ist. Wer von der Norm abweicht, wird schnell als anders oder sogar als störend empfunden, dabei ist Normalität nicht konstant. Normalität ist ein gesellschaftliches, sich ständig wandelndes Konstrukt, welches von Ort, Zeit und Kultur abhängig ist. Wirft man einen Blick in die Vergangenheit, wird sofort klar, wie sehr sich das, was als normal gilt, mit der Zeit verändert hat. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden Kinder, die linkshändig waren, als behandlungsbedürftig eingeordnet, weil rechtshändige Kinder verbreiteter waren. Auch im Bezug auf das Thema Homosexualität hat sich etwas verändert. Damals war Homosexualität noch strafbar und heute ist das zwar nicht mehr der Fall, aber trotzdem haben Menschen aus der LGBTQ+ Community immer noch mit Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen, weil sie noch viel zu oft als nicht normal angesehen werden. Früher wurden auch psychische Krankheiten nicht thematisiert und totgeschwiegen. Litten Personen daran, waren sie sofort als abnormal abgestempelt.
Allgemein kann zwar gesagt werden, dass viele Themen mittlerweile sichtbarer, enttabuisierter und in Teilen akzeptierter sind, aber noch lange nicht gleichwertig. Der Weg von gesellschaftlicher Abweichung, zur Normalität ist lang und von Widerstand geprägt. Inklusion ist zwar in aller Munde und bleibt dennoch vielfach ein Ideal.
Besonders in heutigen Zeiten der Unsicherheit, durch Klimawandel, Migration, Digitalisierung, Krieg und vieles mehr steigt das Bedürfnis nach Orientierung. Die Gesellschaft ruft nach normalen Verhältnissen, denn diese wirken beruhigend. Wirken tut dieser Ruf aber oft wie eine Rückbesinnung auf eine Vergangenheit, die nie für alle gleich gut war. Was wäre also, wenn wir den Begriff normal entmachten? Wenn es sich nicht um ein Ideal handeln würde, sondern um eine Möglichkeit von Millionen Möglichkeiten? Vielfalt sollte der Ausgangspunkt sein, nicht Normalität. Denn in einer Gesellschaft, wie sie jetzt existiert, ist der Begriff Normalität gefährlich. Dadurch werden Menschen in Schubladen gesteckt, anstatt dass wir alle in einer Vielfalt der Möglichkeiten aufblühen können.
Vielfalt bedeutet Mut, denn nur eine Gesellschaft, die sich auch traut Maßstäben den Rücken zu kehren, kann eine echte Grundlage für Vielfalt, Zusammenhalt und Offenheit schaffen. Und vielleicht ist genau das das Einzige, was heute wirklich normal sein sollte!
Christina Gösweiner