„Patientenflut wie ein Tsunami“
26.09.2025 RegionalesTermine bei Hautärzten sind im Bezirk Liezen schwer bis gar nicht zu bekommen. Kassenstellen sind ohnedies unbesetzt. Die Teledermatologie schafft zu einem kleinen Teil Abhilfe.
Mit der Schließung der Praxis von Hautarzt Rok Kokol in Liezen und der ...
Termine bei Hautärzten sind im Bezirk Liezen schwer bis gar nicht zu bekommen. Kassenstellen sind ohnedies unbesetzt. Die Teledermatologie schafft zu einem kleinen Teil Abhilfe.
Mit der Schließung der Praxis von Hautarzt Rok Kokol in Liezen und der Zurücklegung des Kassenvertrags von Hautarzt Manfred Tritscher in Schladming sind beide Kassenstellen im Bezirk Liezen seit Dezember 2024 unbesetzt. Tritscher ist nun als Wahlarzt tätig und bildet gemeinsam mit Edith Arzberger, Wahlärztin in Liezen, die komplette hautärztliche Versorgung des Bezirkes Liezen ab. Ergebnis: „Die Patientenflut kommt über uns wie ein Tsunami“, so Arzberger. Die Dermatologin nimmt schon längst keine neuen Patientinnen und Patienten auf, wie sie auch auf ihrer Website kommuniziert. Anfragen gebe es trotzdem und das zahlreich: „Sicherlich um die fünfzig pro Woche“, sagt Arzberger, was den Versorgungsengpass im Bezirk Liezen deutlich widerspiegle.
Große Versorgungslücke
Einen Grund, warum die beiden Kassenstellen schwierig zu besetzen seien, sieht Arzberger in der damit einhergehenden Versorgungspflicht. Dieser sei unter anderem durch Öffnungszeiten von mindestens vier Tagen die Woche nachzukommen, „was auch einen Umzug nötig macht. Denn um dieses Arbeitspensum leisten zu können, muss ein Kassenarzt bestenfalls nicht nur beruflich in der Region tätig sein, sondern auch hier leben“, gibt die Hautärztin zu bedenken. Sie selbst pendelt zwischen Liezen und Graz, wo sie jeweils eine Wahlarztpraxis betreibt.
Ihre Ordination in Liezen hat die Dermatologin bereits vor über acht Jahren eröffnet, wobei sich rasch gezeigt habe, wie groß die Versorgungslücke im Bezirk Liezen sei: „Egal, wie sehr ich auch helfen wollte, es hat einfach nicht ausgereicht, diesem großen Bedarf gerecht zu werden“, so Arzberger.
Diagnosen mittels Fotos
Aus dieser Not heraus hat die Fachärztin eine bahnbrechende Innovation für das steirische Gesundheitssystem entwickelt: die Teledermatologie. Anstoß dafür „waren meine Kolleginnen und Kollegen, die Hausärzte des Bezirkes. Sie haben damals damit angefangen, mir immer öfter Fotos von den Hautauffälligkeiten ihrer Patienten zu schicken, um mich um eine Diagnose zu bitten“, so Arzberger. Diesen Service zur Ferndiagnose und Therapieverschreibung gelang es Arzberger in Zusammenarbeit mit der Hautklinik Graz, der steirischen Ärztekammer, dem Gesundheitsfonds und der ÖGK in einer einjährigen Vorlaufzeit auf professionelle Beine zu stellen. Am 1. Jänner 2020 startete das Pilotprojekt der Teledermatologie, das damals ausschließlich für den Bezirk Liezen genehmigt wurde. Aufgrund der großen Nachfrage habe man Ende 2022 das Projekt nicht nur um weitere zwei Jahre verlängert, sondern auch im Bezirk Leibnitz etabliert, so die Initiatorin. 2023 folgte dann der große Durchbruch: „Die Teledermatologie wurde über die gesamte Steiermark ausgerollt. Bereits ein Jahr davor wurde sie nach unserem Vorbild auch in Tirol eingeführt“, zeigt sich Arzberger stolz, betont jedoch, dass die Finanzierung des Projekts lediglich bis Ende 2026 zugesagt sei: „Ein Verlängerung ist somit nicht in Stein gemeißelt.“
Heftige Reaktionen
Obwohl zahlreiche Menschen diesen für Kassenpatientinnen und Kassenpatienten kostenlosen Service nutzen würden, habe man es noch nicht geschafft, den großen Bedarf an hautärztlicher Gesundheitsversorgung im Bezirk Liezen gänzlich abdecken zu können. Ein Problem, das Arzberger auch mit einer zunehmenden Vereinsamung der Menschen in Verbindung bringt: „Das soziale Leben hat sich während der letzten Generation maßgeblich verändert. Dieses zwischenmenschliche Bedürfnis, dass einem jemand zuhört und man jemanden zum Reden hat – das erhoffen Menschen nun immer mehr bei den Ärzten zu finden“, so Arzberger, die hinzufügt: „Auch harmlose Krankheiten, die früher durch ein fürsorgliches Familienmitglied mit Hausmitteln geheilt wurden, werden jetzt durch eigenständige Internetrecherchen zu ,Todesursachen‘, weshalb Patienten auch wegen Lappalien den Arzt aufsuchen.“ Eine Entwicklung, die jedoch die zeitliche Kapazität von Ärztinnen und Ärzten sprenge, weshalb es immer häufiger zu Engpässen in der gesundheitlichen Versorgung käme. Obwohl sie mit ihrer Idee der Teledermatologie eine bahnbrechende Neuerung erzielen konnte – eine Lösung für dieses Problem hat Arzberger nicht parat, wie sie sagt. Fakt sei jedoch, dass die Reaktionen auf Patientenaufnahmestopps und lange Wartezeiten teils so heftig ausfallen würden, dass Arzberger „schweren Herzens“, wie sie betont, erstmals das längerfristige Fortführen ihrer Ordination in Liezen hinterfragt.