Maria von Nazareth – eine faszinierende Frau
19.12.2025In der Weihnachtszeit ist sie allgegenwärtig, ob in kleinen Krippen daheim oder als übergroße Figur in den Kirchen: Lächelnd, jung und schön sitzt sie neben ihrem neugeborenen Sohn. Dieses Bild haben die meisten von uns vor Augen, fragt man sie nach Maria von Nazareth. ...
In der Weihnachtszeit ist sie allgegenwärtig, ob in kleinen Krippen daheim oder als übergroße Figur in den Kirchen: Lächelnd, jung und schön sitzt sie neben ihrem neugeborenen Sohn. Dieses Bild haben die meisten von uns vor Augen, fragt man sie nach Maria von Nazareth. Aber wer war diese Frau, diese Heilige, die als Mutter Gottes verehrt wird?
Auf der Suche nach historischen Fakten oder Hinweisen zu der wichtigsten Frau des Christentums muss man ernüchtert feststellen, dass die Quellen zu ihrem Leben sehr beschränkt sind. Aus biografischer Sicht finden sich kaum Überlieferungen. Informationen über Marias Herkunft bietet lediglich das Protoevangelium des Jakobus, eine frühchristliche Schrift, die nicht in den Kanon der Bibel aufgenommen wurde. Dort erfahren wir, dass ihre Eltern Joachim und Anna hießen. In der Bibel bleibt sie eher eine Randerscheinung, lediglich bei den Evangelisten Matthäus und Lukas finden sich Angaben über die Frau, die wie keine andere eine zentrale Figur der katholischen Heiligenverehrung werden sollte. Wir erfahren, dass sie mit dem Handwerker Josef verlobt war und in Nazareth wohnte. Hier erschien ihr der Erzengel Gabriel und verkündete, dass sie den Sohn Gottes zur Welt bringen werde. Es folgten die Geburtsszene im Stall, die Flucht nach Ägypten, um dem von Herodes angeordneten Kindermord zu entgehen, und die Rückkehr nach Nazareth.
Schaut man über den christlichen Tellerrand hinaus zum Islam, stellt man fest, dass Maria auch von den Muslimen verehrt wird. Im Koran wird sie als eine besondere, erwählte Frau beschrieben, die Mutter Jesu, der zwar nicht als Sohn Gottes, aber als ein gro- ßer Prophet anerkannt ist. Sie ist die einzige Frau, deren Name im Koran erwähnt wird. Sogar auf die Verkündigung wird verwiesen. Nimmt man die Szene der Verkündigung genauer unter die Lupe, gibt es eine interessante Auffälligkeit. Über Jahrhunderte hinweg war das Frauenbild der Maria von Männern der katholischen Kirche geprägt: Maria, die Reine, die Demütige und Duldsame, Gehorsame und Leidende – eine bewundernswerte, schicksalsergebene Frau, deren Sinn und Zweck es war, Gottes Sohn zu gebären. Aber gerade die Begegnung mit dem Erzengel zeigt eine andere Maria. Sie diskutiert mit ihm und antwortet nicht, wie es später hieß, mit den Worten „Dein Wille geschehe“, sondern sie sagt „Fiat“ („Es geschehe“). Sie beschließt aktiv, die ihr angedachte Rolle anzunehmen. Mutig, selbstbewusst und voller Gottvertrauen entscheidet sie sich für das Kind – in einer Zeit, in der unverheiratete Schwangere ausgegrenzt oder gar gesteinigt wurden.
Was wäre, hätte sie Nein gesagt? Vielleicht hätte die Geschichte eine andere Wendung genommen. Sie hatte – folgt man dem Lukas-Evangelium – ganz klare Vorstellungen von einer besseren Welt. Das „Magnificat“, der Lobgesang Marias, beinhaltet durchaus kritische Worte: „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig (...) Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind. Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“ (Lk 1,49-53). Rebellische Worte, die auf einen starken Charakter schließen lassen. Ihre Spuren verlieren sich nach der Kreuzigung ihres Sohnes. Sie soll den Rest ihres Lebens bei Johannes, dem jüngsten Jünger Jesu, geblieben sein.
Bleibt noch die Sache mit der jungfräulichen Geburt: Auch hier hat die katholische Kirche das Bild zugunsten einer göttlichen Erhöhung verklärt. Doch ob es sich bei Maria nun um eine Jungfrau oder aber um eine „junge Frau“ gehandelt hat – darüber werden sich die Geister wohl noch lange scheiden. Was bleibt, ist das Bild einer selbstbewussten, starken Frau, furchtlos und voller Herzensgüte, kritisch und doch unerschütterlich in ihrem Glauben, dass sich die Dinge zum Guten wenden werden.
