Leitspital als „große Chance für den Bezirk“
22.11.2024 RegionalesDas geplante Leitspital in Stainach-Pürgg sorgt für Debatten: Experten und Bürger diskutierten in Aigen im Ennstal über Chancen und Herausforderungen des Projekts – von moderner Versorgung bis zu Verkehrs- und Personalproblemen.
Im Gasthof ...
Das geplante Leitspital in Stainach-Pürgg sorgt für Debatten: Experten und Bürger diskutierten in Aigen im Ennstal über Chancen und Herausforderungen des Projekts – von moderner Versorgung bis zu Verkehrs- und Personalproblemen.
Im Gasthof Kirchenwirt in Aigen fand eine Diskussion über das geplante Leitspital in Stainach-Pürgg statt. Unter dem Titel „Gesundheitsversorgung im Bezirk Liezen: Braucht es das neue Leitspital?“ lud der ORF im Rahmen seines Formats „Ein Ort am Wort“ Experten sowie die Bevölkerung zur Debatte ein. Die Meinungen über das Projekt gehen weit auseinander, doch eines wurde deutlich: Die medizinische Versorgung in der Region steht vor großen Herausforderungen. Hellmut Samonigg, ehemaliger Rektor der Medizinischen Universität Graz und erfahrener Internist und Onkologe, sieht im geplanten Leitspital eine Notwendigkeit, um die medizinische Versorgung in der Region zukunftssicher zu gestalten. Er stellte klar: „Es gibt null Kritik an den bestehenden Spitälern in Bad Aussee, Rottenmann und Schladming. Das heißt aber nicht, dass man es nicht noch besser machen kann.“ Er erklärte, dass moderne Medizin eine Spezialisierung und größere Teams erfordere, um eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten. In kleinen Spitälern sei dies nicht mehr möglich. Er verwies auf internationale Beispiele wie Dänemark, wo die Zahl der Krankenhäuser zugunsten größerer, spezialisierter Einrichtungen deutlich reduziert wurde. Auf 5,9 Millionen Einwohner hat es dort 100 Spitäler gegeben, reduziert wurde auf 32 Spitäler.
Karl Wohak, ärztlicher Leiter der Klinik Diakonissen Schladming, unterstrich die Dringlichkeit der Situation: Ein Drittel der derzeit in der Steiermark tätigen Ärzte wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Pension gehen. „Es gibt keinen Plan B, der diese ersetzen soll“, warnte Wohak. Das Zusammenfassen der medizinischen Ressourcen sei unvermeidlich, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. Auch betonte er, dass das Leitspital nicht als „Allheilmittel“ zu verstehen sei, sondern als notwendiger Schritt in einem umfassenderen strukturellen Wandel.
Problem: Verkehr und Personal
Franz Ploder, Allgemeinmediziner aus Stein an der Enns, brachte während der Diskussion seine Zweifel an der Erreichbarkeit des geplanten Leitspitals in Stainach-Pürgg zum Ausdruck. Besonders im Winter könnten Straßensperren auf der ohnehin stark belasteten B 320 zu Problemen führen. „Die Rettung kann ein oder zwei LKW überholen, aber nicht zehn“, schilderte er. Ploder stellte auch die Frage, wie Ärzte und Pflegepersonal bei schwierigen Wetterverhältnissen ihren Arbeitsplatz erreichen sollen. „Der Hausverstand der Ennstaler sagt, das ist problematisch“, so Ploder.
Ein weiteres Problem sieht der Allgemeinmediziner in der Frage, wie die medizinische Versorgung durch Ärzte im neuen Leitspital organisiert werden soll. Einige Besucher der Diskussion unterstützten seine Bedenken. Karl Wohak betonte, dass die Personalrekrutierung eine zentrale Herausforderung bleibe: „Meine Aufgabe ist es, in den nächsten Jahren Kollegen heranzuziehen und einzustellen.“ Hellmut Samonigg unterstrich, dass das neue Leitspital einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des ärztlichen Nachwuchses leisten könne. Zudem sei ein hochmodernes Krankenhaus ein attraktiver Standort für junge Ärzte: „Es würde mich sehr wundern, wenn das kein Anziehungspunkt ist“, so Samonigg.
Wohak verwies darauf, dass die bestehenden drei Spitäler 800 Vollzeitäquivalente benötigen würden, während das Leitspital mit 600 auskommen könne.
Bundesländerübergreifende Lösung?
Ploder sprach sich für den Erhalt der drei bestehenden Spitäler aus. Er führte Patientenstromanalysen an, die zeigen, dass viele Patienten aus der Region in Krankenhäuser anderer Bundesländer geschickt werden. Daraus ergab sich für ihn die Frage, ob eine bundesländerübergreifende Lösung angestrebt werden könnte. Wohak entgegnete aus seiner Erfahrung, dass Krankenhäuser in anderen Bundesländern teilweise keine Patienten aus der Steiermark mehr aufnehmen. „Wir können unsere Arbeit außerdem nicht abschieben. Es kann nicht Ziel einer Gesundheitsplanung sein, Probleme nach außen zu verlagern“, stellt er klar und warnte: „In Summe werden wir dann mehr Löcher als Stoppel haben.“
Kinder und Neurologie als Brennpunkt
Publikumsfragen zeigten ein besonderes Interesse an der Versorgung von Kindern und neurologischen Patienten. Wohak und Samonigg betonten, dass das Leitspital sowohl eine Kinderambulanz mit Überwachungsbetten als auch eine ambulante Neurologie einschließlich Schlaganfallversorgung bieten werde.
Rottenmann als Leitspital?
Die Frage nach dem Standort für das neue Leitspital spaltet die Region. Während Franz Frosch, Bürgermeister von Bad Aussee, Stainach-Pürgg als Kompromissstandort akzeptiert, zeigt sich Rottenmanns Bürgermeister Günther Gangl entschieden für seine Stadt als Standort. Frosch betonte die kürzere Anfahrtszeit von nur 25 Minuten von Bad Aussee nach Stainach im Vergleich zu den 70 Minuten, die eine Fahrt nach Rottenmann in Anspruch nehmen würde. Gangl zweifelte an, ob das geplante Leitspital tatsächlich mehr leisten könne als die bestehenden Einrichtungen und vermutete, dass das Fehlen ärztlichen Nachwuchses in Rottenmann auf die Planungen für den neuen Standort zurückzuführen sei. Der ehemalige Rektor der Med Uni Graz, Hellmut Samonigg, verteidigte dagegen die Entscheidung für einen Neubau. „Der Umbau eines bestehenden Spitals ist eine Katastrophe. Bei laufendem Betrieb würde der Umbau doppelt so lange dauern wie ein Neubau“, erklärte er und betonte, dass eine Standortwahl in Rottenmann gegenüber den anderen betroffenen Gemeinden ungerecht wäre und appellierte eindringlich an die Bevölkerung, die Chance des neuen Spitals zu nutzen: „Bitte nehmt‘s das neue Spital, es ist eine riesengroße Chance für euch.“
Versorgung in Schladming
Die zukünftige 24/7-Versorgung in Schladming war ein zentraler Diskussionspunkt, insbesondere im Hinblick auf die Wintersaison, in der die Zahl der Skiunfälle steigt. Karl Wohak, ärztlicher Leiter der Klinik Diakonissen Schladming, erläuterte die Situation anhand aktueller Zahlen: In Spitzenzeiten kommen durchschnittlich täglich bis zu 250 Patienten in die Ambulanz, doch nur vier müssen am selben Tag operiert werden. Weitere vier Operationen erfolgen in der Regel am nächsten Tag. „Für die Betreuung und Versorgung der Patienten ist es letztlich nicht relevant, ob das Krankenbett in Schladming oder in Stainach steht“, erklärte Wohak. Hellmut Samonigg ergänzte, dass sich die medizinische Versorgung zunehmend weg von stationären Betten hin zu ambulanten und tagesklinischen Behandlungen entwickle.
Samonigg abschließend mit Hinweis auf die Argumente der Gegner des Projektes: „Lassen sie sich nicht täuschen und Sand in die Augen streuen.“