„Ich möchte Menschen helfen“
25.07.2025 RegionalesInnocent Mbarushimana ist seit zwei Jahren Kaplan im Ennstal. Seine Kindheit in Ruanda war schwierig. Er verzichtete auf ein Medizinstudium und wählte den Weg ins Priesterseminar.
Als Pater Innocent in der Pfarrgasse von der Kirche zum Pfarramt geht, verlangsamt ein ...
Innocent Mbarushimana ist seit zwei Jahren Kaplan im Ennstal. Seine Kindheit in Ruanda war schwierig. Er verzichtete auf ein Medizinstudium und wählte den Weg ins Priesterseminar.
Als Pater Innocent in der Pfarrgasse von der Kirche zum Pfarramt geht, verlangsamt ein blauer Skoda sein Tempo. Ein älterer Herr kurbelt sein Beifahrerfenster nach unten und ruft: „Grüß Sie, Herr Pfarrer. Wann ist der nächste Gottesdienst?“ Mit einem strahlenden Lächeln antwortet Kaplan Innocent: „Ich habe heute erst die Frühmesse gehalten.“ Er freue sich aber, ihn am nächsten Sonntag zu sehen. Dass er auf der Straße angesprochen werde, passiere öfter, sagt Innocent. „Ich bin so dankbar, dass ich so gut aufgenommen wurde. Die Leute hier sind sehr nett und ich bin überall willkommen.“ Der aus Ruanda stammende Kaplan ist seit September 2023 in Schladming.
Bildung als Ausweg
Als Innocent von seiner Vergangenheit zu sprechen beginnt, schweift sein Blick ab. Im fröhlichen Gesicht blitzen kleine Sorgenfalten auf und das herzhafte Lächeln verliert ein wenig an Strahlkraft. Es lässt sich so etwas wie Wehmut ablesen. Innocent Mbarushimana kam im Dezember 1990 in Nkungu zur Welt. Seine Kindheit sei „schwierig“ gewesen, erzählt er. Als er noch ein Kleinkind war, tobte ein brutaler Bürgerkrieg in Ruanda. Schätzungen zufolge kostete der Konflikt rund 1 Million Menschen das Leben. Innocents Mutter litt an einer Verletzung, die sie sich während des Krieges zugezogen hatte und starb später an Krebs, als ihr Sohn 13 Jahre alt gewesen ist. Sein Vater, ein Maurer, hatte kaum das Geld, seine 14-köpfige Familie zu ernähren. Und doch schickte er seinen Sohn zur Schule, damit er später einmal besser verdienen kann. Den täglichen einstündigen Fußmarsch zur Grundschule nahm Innocent gerne auf sich. Er wusste, dass der Weg aus der Armut nur über die Bildung führt. Seinen großen Schwestern blieb das verwehrt, denn bereits die Grundschule kostet in Ruanda Geld. Geld, das nicht ausreichend vorhanden war.
„Möchte Menschen helfen“
Ein der Familie nahestehender Mann hatte erkannt, dass Innocent klug war und finanzierte die weiterführende, höhere Schule bis zur Matura. Der Plan von Innocent war, Medizin zu studieren. „Ich wollte Menschen helfen und ich wollte Geld verdienen, damit ich meine Familie unterstützen kann“, erzählt er. Nachdem er ein Jahr als Lehrer für Biologie, Chemie und Musik unterrichtet hatte, meldete er sich für ein Medizinstudium an. Als ein Pfarrer zu ihm sagte, dass er als Priester den Menschen vielleicht noch besser helfen könne, warf er seine Pläne über den Haufen. Denn dieser Satz hatte bei Innocent Mbarushimana etwas ausgelöst und sollte sein Leben von Grund auf ändern.
Theologie statt Medizin
Vom Medizinstudium hat er sich wieder abgemeldet und ging mit 19 Jahren ins Priesterseminar, wo er sich für neun Jahre der Theologie widmete. „Als Priester verdient man in Ruanda kein Geld, deswegen haderte meine Familie mit meiner Entscheidung. Alle waren gegen mich, doch mein Glaube war stärker“, erinnert sich Innocent. Möglichst vielen Menschen zu helfen sei ihm wichtiger gewesen, als Geld zu verdienen.
Von Kenia nach Österreich
Nach seiner Priesterweihe kümmerte er sich um eine Pfarre in Ruanda, dann beorderte ihn der Bischof nach Nariobi, der Hautpstadt von Kenia. Nach mehreren Monaten bot ihm der Bischof an, ihn nach Österreich zu schicken.
Innocent sollte hier ein Medizinstudium beginnen. „Ich habe sofort mit ,nein‘ geantwortet“, sagt Innocent. Er spreche zwar vier Sprachen fließend – Kinyarwanda, Suaheli, Englisch und Französisch, doch Deutsch zählte nicht dazu. Letztendlich habe er sich überreden lassen, und 2022 kam Innocent nach Graz.
Sprachbarrieren
Zu Beginn verstand er fast kein Wort, doch er belegte einen Deutschkurs und lernte schnell. „Ich habe die Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium probiert. Dem Bischof zuliebe“, sagt Innocent, denn er habe gewusst, dass dazu die Deutschkenntnisse nicht ausreichten. Seinen ersten Gottesdienst hielt er im Kloster Stiftingtal in Graz. Die Predigt hat er sich auf Französisch notiert und mittels Google-Translator übersetzt. Es hat funktioniert, denn „die Leute haben mich verstanden“, schmunzelt er.
Neue Sprachen
Ein knappes Jahr später, im September 2023, trat er eine Stelle als Kaplan in Schladming an. „Als ich hier ankam, habe ich mich gefragt: Welche Sprache sprechen die hier?“, erinnert sich der Pater mit einem herzhaften Lachen. Er habe wieder kein Wort verstanden. Mittlerweile könne er aber sogar Gesprächen in Ramsau und in den Sölktälern folgen. Neben seinen Aufgaben als Kaplan studiert Innocent Kirchenrecht in München, das er voraussichtlich in vier Jahren mit dem Doktorat abschließen wird. Seine spärliche Freizeit verbringt er – Sommer wie Winter – in den Bergen. Einen Skikurs hat Innocent absolviert und er scheut keine schwierigen Pisten und Skitouren mehr. Die Leidenschaft für die Berge hat ihm wohl Andreas Lechner vermittelt, gilt der Schladminger Pfarrer doch als Bergfex.
Kurze Lederhose und Heimweh
Was Innocent immer noch amüsiert, ist die kurze Lederhose, die in Österreich zu Festivitäten angezogen wird. „In Ruanda wäre es undenkbar, mit einer kurzen Hose zu einem Fest zu erscheinen“, schmunzelt Innocent. Mittlerweile besitzt er selbst eine und trägt sie zu besonderen Anlässen. Manchmal plagt ihn das Heimweh, wenngleich Innocent betont, in Schladming seine zweite Heimat gefunden zu haben. Der Plan sieht vor, dass er nach Abschluss seines Studiums wieder in seine Heimat abberufen wird. Innocent ist für alles offen – Ruanda, Österreich oder auch ein anderes Land. Das einzige, das er will, ist für Menschen da zu sein.