Heute helfen, morgen Hilfe bekommen
15.08.2025 RegionalesDer Verein „Zeitpolster“ hilft Menschen, die ihren Alltag nicht mehr alleine meistern können. Helfende bekommen dafür kein Geld, sie können später selbst Hilfe in Anspruch nehmen.
Viele Menschen können ihren Alltag, insbesondere im ...
Der Verein „Zeitpolster“ hilft Menschen, die ihren Alltag nicht mehr alleine meistern können. Helfende bekommen dafür kein Geld, sie können später selbst Hilfe in Anspruch nehmen.
Viele Menschen können ihren Alltag, insbesondere im hohen Alter, nur mehr beschwerlich meistern. Wo früher die Großfamilie gegenseitig Unterstützung bot, sind heute vielfach Betroffene auf externe Hilfe angewiesen. Beeinträchtigungen können jeden treffen und mit zunehmendem Alter steigt auch die Wahrscheinlichkeit, es nicht mehr alleine zu schaffen.
Genau diesen Gedanken griff „Zeitpolster“-Gründer Gernot Jochum-Müller auf und entwickelte nach Vorbild eines Pflegesystems aus Japan das „Zeitpolster“-Modell. Das Ziel: Ein niederschwelliges, leistbares Angebot, das gleichzeitig Vorsorge für Helfende schafft.
Das Konzept ist ebenso simpel wie genial. Wer heute anderen hilft, bekommt morgen Fürsorge zurück. Eine Betreuungsstunde kostet 11 Euro. Freiwillige stellen ihre Zeit hilfsbedürftigen Menschen zur Verfügung. Geld bekommen sie dafür keines, ihre geleisteten Stunden werden aber ihrem persönlichen „Zeitpolster“- Konto gutgeschrieben. Sollten sie später selbst auf Hilfe angewiesen sein, können sie diese angesparten Stunden in Anspruch nehmen.
Von Verschnaufpausen bis Kaffeehausbesuchen
Österreichweit gibt es derzeit 50 Gruppen mit rund 1700 Helferinnen und Helfern, die in sieben Bundesländern im Einsatz sind. Allein im ersten Halbjahr wurden 150.000 Stunden angespart. Im Bezirk Liezen gibt es seit 2019 ein Team im Ausseerland. Dort leisten 30 Freiwillige an die 100 Stunden pro Monat. Eine der Koordinatorinnen ist Claudia Steinbrecher aus Bad Mitterndorf. Sie ist von Beginn an dabei. „Unser Aufgabengebiet beginnt dort, wo das der Volkshilfe endet“, sagt sie. Das Angebot ist vielfältig. Darunter fallen Begleitung zur Fußpflege, zum Friseur, zu einem Arzttermin oder zum Einkaufen. Es gebe zwar das Ausseerland-Taxi, doch manche der Klienten seien nicht soweit mobil, dass sie es alleine bis zur Haltestelle schaffen. Besuche in Pflegeheimen oder gemeinsame Spaziergänge sind ebenso gefragt wie ein Tratsch im Kaffeehaus. Eine Stunde zu plaudern oder Karten zu spielen hilft gegen Vereinsamung und soziale Abschottung.
Die Dienste von „Zeitpolster“ werden auch gerne von pflegenden Angehörigen in Anspruch genommen, damit sie selbst zu einer Verschnaufpause kommen.
„Zumindest eine gute Tat“
„Der Bedarf steigt rasant an. Alleine heuer wurden im Verein bereits 150.000 Stunden geleistet“, sagt Marco Moosbrugger, Sprecher des Vereins „Zeitpolster“. Gleichzeitig wachsen auch die Untergruppen und freiwilligen Helfer. Als Motivation hört er am öftesten: „Ich will eine sinnvoll Aufgabe haben.“ Vielfach handle es sich dabei um junge Pensionistinnen und Pensionisten. Die Organisation erfolgt unbürokratisch und unkompliziert. Es gibt eine Telefonnummer (Ausseerland-Handy: 0664/88720760), wo Klienten ihre Termine anmelden können. Eine der Leiterinnen gibt die Anfrage über eine WhatsApp-Gruppe an das Team weiter. Wer möchte und Zeit hat, nimmt den Termin wahr.
Freiwillige seien immer herzlich willkommen, eine besondere Ausbildung ist dafür nicht notwendig. Dass man die geleisteten Stunden später einlösen kann, ist meistens nicht der Hauptgrund für die Arbeit. „Wenn ich es nicht brauche, hab ich zumindest eine gute Tat vollbracht“, sagt Claudia Steinbrecher.
Guthaben nutzen
Von ihrer sozialen Vergangenheit profitieren heute Rosa (86) und Martha (90) aus Salzburg. Früher engagierten sich beide Damen im Besuchsdienst im Altersheim. Heute sind sie verwitwet und selbst auf Unterstützung angewiesen. Sie nehmen die Hilfe von „Zeitpolster“ in Anspruch und nutzen dafür ihr angespartes Zeitguthaben. Gemeinsam mit der „Zeitpolster“-Helferin Ilse treffen sich die drei Frauen regelmäßig zum Kaffee, spielen gemeinsam Brettspiele oder besuchen Konzerte.