GEBURT (k)eine Frauensache
19.12.2025An Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu Christi. Ein Stall mit Ochs und Esel, die Heilige Familie, ein neugeborenes Kind, gebettet auf Stroh in einer Futterkrippe – so die klassische Darstellung auf unzähligen Bildern.
Schenkt man der Bibel Glauben, scheint die Geburt Christi ...
An Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu Christi. Ein Stall mit Ochs und Esel, die Heilige Familie, ein neugeborenes Kind, gebettet auf Stroh in einer Futterkrippe – so die klassische Darstellung auf unzähligen Bildern.
Schenkt man der Bibel Glauben, scheint die Geburt Christi leicht und schmerzfrei gewesen zu sein (Gen 3,16) – dank göttlichem Beistand. Dieses Privileg ist seit Beginn der Menschheitsgeschichte allerdings die große Ausnahme. Denn dass Geburten für Frauen im Normalfall kein Spaziergang sind, das wird bereits im Alten Testament mehrmals beschrieben. So spricht Gott zu Eva nach dem Sündenfall: „Ich will Dir viel Mühe machen in Deiner Schwangerschaft. Unter Schmerzen sollst Du Dein Kind gebären.“ (1. Mose 3, 16). Im Koran heißt es dann auch über Maria: „Und die Wehen trieben sie zum Stamm einer Palme. Sie sprach: ‚Oh, dass ich doch zuvor gestorben und ganz und gar vergessen wäre!‘“ Laut Koran musste Maria ihren Sohn allein zur Welt bringen, obwohl es damals schon Geburtshelferinnen gab.
In der Bibel werden Hebammen mehrfach erwähnt, ihnen kommt eine wichtige Bedeutung zu. Bereits der Prophet Hesekiel schildert ihre Aufgaben, zu denen das Durchtrennen der Nabelschnur, das Baden und das Wickeln des Kindes gehörten. Überhaupt war alles rund um die Geburt eines Kindes über mehrere tausend Jahre reine Frauensache. Heilkundige Frauen kannten die Handgriffe zur Geburtshilfe und die Rezepturen für wirksame Kräutermischungen zur Unterstützung bei Wehen und Krämpfen. Der Kirche des Mittelalters war das suspekt: Frauen, die mehr Kenntnisse über die Heilkunde hatten als männliche Ärzte, die damals weder den Genitalbereich einer Frau berühren noch einer Geburt beiwohnen durften. Diese Frauendomäne entzog sich komplett der kirchlichen Kontrolle. Das durfte nicht sein. So verlangte die Kirche im Mittelalter von den Hebammen, einen Eid zu schwören, der sie zu rein christlichem Handeln verpflichtete – abtreibende oder angeblich magische Mittel wurden verboten und sie mussten sich einem kirchlichen Regelwerk fügen. Es war eine schwierige Zeit für Geburtshelferinnen – häufig wurden sie Opfer der Inquisitionen und landeten als Hexen auf dem Scheiterhaufen. Allein in Köln wurden in wenigen Jahren des 17. Jahrhunderts nahezu alle Hebammen der Stadt verbrannt.
Trotzdem: Die Geburt blieb Frauensache – bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, als sich immer mehr studierte Ärzte, ausschließlich Männer, in die Geburtshilfe einmischten. Es entstanden die ersten Geburtskliniken, auch Accouchierhäuser oder Gebäranstalten genannt. Sie sollten den Studenten Gelegenheit zu praxisorientierten Übungen geben. Man war im Zuge der Aufklärung davon überzeugt, dass studierte männliche Mediziner eine bessere Geburtshilfe leisten könnten als die traditionellen „unwissenden“ Hebammen – mit zum Teil verheerenden Folgen. Denn in den Kliniken suchten meist Prostituierte, unverheiratete oder mittellose Frauen Hilfe, die nicht zu Hause entbinden und somit keine Ansprüche stellen konnten. Die werdenden Mütter wurden zwar versorgt, mussten sich aber im Gegenzug als „lebendige Phantome“, wie sie der Göttinger Arzt Friedrich Benjamin Osiander nannte, zur Verfügung stellen. „Anschauungsmaterial“ für Studenten, manchmal 60 an der Zahl – neben der rücksichtslosen Überschreitung des Schamtabus durften diese auch Untersuchungen im Schambereich durchführen. Aber ausgerechnet in den Kliniken war die Müttersterblichkeit zunächst höher als bei den unter Aufsicht von Hebammen durchgeführten Hausgeburten. Der Grund: Frauen in der Geburtsklinik wurden häufig von Ärzten und Studenten untersucht, die vorher im Seziersaal an Leichen gearbeitet hatten. Antiseptische Maßnahmen kannte man damals noch nicht. Die Folge waren oft tödliche Infektionen. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte der Arzt Ignaz Semmelweis die Bedeutung der Hygiene. Er gilt als Entdecker der Handdesinfektion und als „Retter der Mütter“.
Dank moderner Medizin sind heute die Geburten viel sicherer für Mutter und Kind geworden und Hebammen können ihrer Arbeit nachgehen, ohne dass sie um ihr Leben fürchten müssen – dem Himmel sei Dank.
Schorten/DEIKE
