GASTKOMMENTAR
25.10.2024 RegionalesPflege ist mehr als eine Rechengröße
Immer wieder ist zu lesen, dass eine Pflegeeinrichtung erst mit 70 Plätzen ohne Abgang zu führen sei – so auch im „Ennstaler“ in der Ausgabe Nummer 40 („Pflegeheim Rottenmann“). Selbst das ...
Pflege ist mehr als eine Rechengröße
Immer wieder ist zu lesen, dass eine Pflegeeinrichtung erst mit 70 Plätzen ohne Abgang zu führen sei – so auch im „Ennstaler“ in der Ausgabe Nummer 40 („Pflegeheim Rottenmann“). Selbst das Land Steiermark und der Bundesrechnungshof definieren diese Zahl als Richtschnur. Das ist zu kurz gegriffen, sagt Jakob Kabas (Foto).
Vereinfacht dargestellt gibt es in der Pflege zwei bestimmende Grö- ßen, die miteinander in Wechselwirkung stehen: Auslastung und Personal. Fehlt das Personal, kann eine Einrichtung Foto: photoINstyle nicht ausgelastet werden – egal ob 20, 70 oder 100 Betten zu Verfügung stehen. Damit sind wir auch schon beim Kern der Problematik: Die Branche hat einen akuten Arbeitskräftebedarf. Das ist nicht nur ein steiermarkweites Phänomen, es handelt sich um europaweite, ja teilweise weltweite Themen. In Österreich liegt Pflege in der rechtlichen Gestaltungskompetenz der Bundesländer. Neben Variablen wie beispielsweise Kollektivverträge, spielt hier auch die Tarifpolitik des jeweiligen Bundeslandes eine wesentliche Rolle. Ein Vergleich: In Wien betreut eine vollbeschäftigte Person einen Bewohner in der Pflegestufe 7. Eine steirische Pflegekraft muss schon 1,6 Bewohner betreuen, im Burgenland sind es gar 2,5. Im Gegensatz zur Pflege ist das Pflegegeld aber österreichweit einheitlich geregelt und nicht wohnsitzabhängig.
Zurück zur Frage nach dem Erfolg. In keinem Landesgesetz ist die Frage des Betriebsergebnisses als Erfolgsfaktor definiert, sondern die Betreuungs- und Pflegequalität sowie die Arbeitsqualität. Die Pflege hat sich zu einem Wachstumsmarkt entwickelt und national wie internationale Konzerne versprechen der öffentlichen Hand Entlastung und ihren Investoren Renditen. Damit rücken Marktlogiken in den Fokus. Wirtschaftlichkeit ist wichtig, aber nicht auf Kosten der Qualität. Pflege ist mehr als eine Rechengrö- ße. Aktuelle Probleme sind nicht nur Folge der Demografie, sondern verschlafener Reformen. Pflege ist wie Gesundheit oder Bildung ein Gemeingut, das Menschen unabhängig von sozialer Herkunft, spiritueller Orientierung, Geschlecht und Wohnsitz in einem zeitgemäßen würdevollen Rahmen zur Verfügung stehen sollte. Sie ist die Basis menschlichen und gesellschaftlichen Füreinanders. Dieser gesamtgesellschaftliche Beitrag ist jedenfalls erfolgsrelevant für das Gelingen von Gesellschaft und Staat. Das zeigt zumindest im Bezirk die gelebte Solidarität der politisch Verantwortlichen in den Gemeinden.
Jakob Kabas
Obmann Landesverband Altenpflege
Steiermark und Präsident
Lebenswelt Heim Bundesverband jakob.kabas@lebensweltheim.at