Die Steiermark ist blau
29.11.2024 RegionalesEine blaue Welle überrollte vergangene Woche bei der Landtagswahl die Steiermark.
Für die bisherigen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ setzte es mit historischen Tiefwerten ein Debakel. Die Mehrheit ist weg, der Landeshauptmann-Sessel wird blau. Es bleibt nur mehr ...
Eine blaue Welle überrollte vergangene Woche bei der Landtagswahl die Steiermark.
Für die bisherigen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ setzte es mit historischen Tiefwerten ein Debakel. Die Mehrheit ist weg, der Landeshauptmann-Sessel wird blau. Es bleibt nur mehr die Frage zu klären: Blau-schwarz oder blau-rot?
Von einem Duell, geschweige denn von einem Dreikampf, war bei der Hochrechnung am vergangenen Sonntag nichts zu merken. Die FPÖ belegte mit Abstand den ersten Platz, rund ein Drittel der Steirer (34 Prozent) wählten die Freiheitlichen. Das ist das beste Ergebnis, das die Freiheitlichen in der Steiermark je eingefahren haben. Historisch am schlechtesten schnitten mit 26 Prozent die ÖVP und 21 Prozent die SPÖ ab. Erstmals seit 1945 schaffen die beiden Altparteien gemeinsam keine absolute Mehrheit mehr.
Rückspiegel
Im Windschatten von Jörg Haider schaffte es die FPÖ Steiermark in den 90er-Jahren auf den dritten Platz. Als Konsequenz zur Abspaltung des BZÖ flogen die Freiheitlichen 2005 aus dem steirischen Landtag. Danach begann ein kometenhafter Aufstieg. Nur zehn Jahre später kam es zu einem tatsächlichen Dreikampf, den die SPÖ mit 29 Prozent, knapp vor der ÖVP mit 28 Prozent, für sich entscheiden konnte. Die Freiheitlichen hielten bei 26 Prozent. Dann kam Ibiza. Die FPÖ verlor neun Prozentpunkte, während die ÖVP dank des Sebastian-Kurz-Effekts 36 Prozent erreichte. Ab diesem Zeitpunkt konnten mutmaßliche Skandale den Freiheitlichen kaum mehr etwas anhaben. Ibiza schien vergessen zu sein und die Grazer Finanzaffäre perlte an der Partei ab wie Wasser auf Teflon. Mit der Landtagswahl am vergangenen Sonntag stieg die FPÖ als Phönix aus der Asche und überholte erstmals die beiden bisherigen Regierungsparteien
Wählerströme
Interessant zu betrachten sind die Wählerströme bei dieser Wahl. So konnte die FPÖ 56.000 Nicht-Wähler mobilisieren, von der ÖVP wanderten 52.000 Stimmen in Richtung Blau. Bei den Grünen halbierten sich die Stimmen. Die Neos können mit einem zarten Plus von zwei auf drei Mandate aufstocken. Die KPÖ verliert an Stimmen, bleibt aber im Landtag vertreten.
Suche nach Schuldigen
Dass es am Sonntag lange Gesichter bei der ÖVP gab, war wenig überraschend. Für Verwunderung sorgte ein verstimmter Landeshauptmann am Wahlabend, denn Christopher Drexler suchte die Verantwortung beim Bundespräsidenten. Er fühle sich „ein bisschen wie das Bauernopfer der Republik“ und schickte ein sarkastisches „großes Danke nach Wien“ für das Wahlergebnis. Tags darauf relativierte er seine Aussage und übernahm, so wie es bei geschlagenen Spitzenkandidaten üblich ist, staatsmännisch die Verantwortung. Zumindest eine Obmann-Debatte bleibt der Volkspartei
– vorerst – erspart. Drexler stellte in den Gremien die Vertrauensfrage und wurde einstimmig bestätigt. Er wird die Sondierungsgespräche mit der FPÖ führen. Ähnlich sieht es bei der SPÖ aus. Die Leute von Anton Lang sprechen ihm das Vertrauen aus und die SPÖ hat auch Ambitionen für eine Regierungsbeteiligung.
Regierungsbildung
Aufgrund des eindeutigen Ergebnisses sind zwei Varianten wahrscheinlich: blau-schwarz oder blau-rot. Die Wunschkoalition der bisher regierenden Parteien kommt nicht mehr über 50 Prozent der Mandate. Eine Dreierkoalition (schwarz-rot-pink oder schwarz-rot-grün) ist eher unwahrscheinlich. Der Ball liegt bei Wahlgewinner Mario Kunasek. Anders als beim Bund, wo sich die Parteien schon vor der Nationalratswahl gegen die FPÖ einzementiert hatten, ist man in der Steiermark in alle Richtungen für Gespräche offen. Beide potentiellen Junior-Partner (ÖVP und SPÖ) signalisierten bereits, Teil einer Landesregierung sein zu wollen. Umso mehr Trümpfe haben somit die Freiheitlichen in der Hand – sie können sich den künftigen Partner aussuchen. Schnittmengen gibt es in jeder Konstellation. Das Ergebnis wird davon abhängen, wo die roten Linien gezogen werden. Bei blau-schwarz könnte das Leitspital eine Sollbruchstelle darstellen.
Dunkelblauer Bezirk
In Graz und Hartberg-Fürstenfeld konnte die ÖVP eine knappe Mehrheit halten, die restlichen Bezirke sind blau. Und mit 42 Prozent ist Liezen am dunkelblausten von allen. Obwohl sich alle Oppositionsparteien gegen den Neubau des Leitspitals positionierten, zahlte das Klinikum Stainach offenbar allein auf die FPÖ ein. Interessant ist ein näherer Blick nach Rottenmann – der Wiege der Bürgerinitiative BISS, die sich seit Jahren gegen die Spitalsschlie- ßungen stark macht. Dort kam die ÖVP auf 5 Prozent der Stimmen, die SPÖ schaffte 9 Prozent – noch hinter der KPÖ. Die Freiheitlichen erreichten 63 Prozent aller Stimmen, was steiermarkweit das beste Ergebnis ist. Bemerkenswert war die Reaktion von (ÖVP)-Bürgermeister Günter Gangl: „Ich bin unglaublich stolz auf unser klares Zeichen. Ein deutlicheres Signal für den Erhalt des LKH-Standortes hätte man nicht nach Graz senden können.“ Ob nun tatsächlich Rottenmann zum Leitspital ausgebaut wird, ist noch nicht fix. Das Nein zum Klinikum Stainach klingt nach der Wahl aus dem Mund von Mario Kunasek ein wenig aufgeweichter. Man wolle erst wissen, was der Plan B (Ausbau Rottenmann) koste.
Blauer LH
Aus dem Bezirk Liezen ziehen vier Vertreter in den Landtag ein: Die beiden Freiheitlichen Albert Royer und Eva-Maria Kroismayr-Baier, das Grüne Urgestein Lambert Schönleitner und Armin Forstner (ÖVP). Für ein Mandat von Michaela Grubesa (SPÖ) hat es nicht gereicht. Die Steiermark wird aller Voraussicht nach bald den einzigen blauen Landeshauptmann Österreichs stellen. Als nächstes wählt das Burgenland am 19. Jänner seinen Landtag. Es folgen Gemeinderatswahlen in Niederösterreich am 26. Jänner, ehe die Steiermark am 23. März wieder zur Wahlurne schreitet und das Ortsparlament wählt.