„Der gemeinsame Prozess steht über allem“
03.10.2025 PorträtsGerhard Kreiner ist ein bestens vernetzter Architekt. Seit 25 Jahren betreibt er ein Büro im Ennstal und betreut Kunden in ganz Österreich. Im Gespräch mit dem „Ennstaler“ blickt er zurück, analysiert Entwicklungen und gibt einen Ausblick.
...Gerhard Kreiner ist ein bestens vernetzter Architekt. Seit 25 Jahren betreibt er ein Büro im Ennstal und betreut Kunden in ganz Österreich. Im Gespräch mit dem „Ennstaler“ blickt er zurück, analysiert Entwicklungen und gibt einen Ausblick.
Was fasziniert Sie an Architektur?
„Neben der Bauaufgabe, ist es die Auseinandersetzung mit dem Ort und die gemeinsame Entwicklung mit dem Bauherrn. Dieser gemeinsame Prozess steht bei mir über allem. Mein Anspruch ist es, ein Ergebnis zu erzielen, das beständig und nachhaltig ist, gleichzeitig schlicht und einfach. Das kann Holzbau genauso sein wie Massivbeton oder Ziegel.“
Gibt es Menschen, die Sie besonders geprägt haben?
„Es gab viele, die prägend waren. Ganz vorne weg steht für mich die Partnerschaft mit Erwin Egger. Mit 31 Jahren holte er mich verantwortungsvoll in die Verantwortung. Es war eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Mein Meisterstück, bei dem ich den Umgang mit historischer Bausubstanz kennenlernte, schuf ich in Frauenberg in Zusammenarbeit mit dem damaligen Stiftsbaumeister Lambert Gabauer. In späteren Jahren war die Entwicklung der Therme Waltersdorf sehr spannend. Nach einem gewonnen Wettbewerb haben wir mit einer speziellen Eigentümerstruktur verschiedene Bauaufgaben anhand eines gemeinsam erarbeiteten Masterplans koordiniert.“
Sie haben erwähnt, dass Sie mit Ihrem Geschäftspartner Erwin Egger kaum Meinungsverschiedenheiten hatten. Und wenn, dann wurde bei einem Glas Rum die Sache besprochen. Wie kann man sich das vorstellen? Worum ging es?
„Erwin war ein Sir. Wenn er einen Raum betreten hat, wo eine aufgewühlte Stimmung herrschte, war plötzlich Ruhe da und man begann miteinander zu kommunizieren. Das hat er einfach ausgestrahlt. Auch bei Bauverhandlungen gab es nie Streit. Es reichte Erwins Präsenz. Und auch in dieser Stimmung haben wir unsere Aufgaben besprochen. Egal, ob wir unterschiedlicher Meinung waren, am Ende hatten wir ein Ergebnis. Immer. Ich kann es gar nicht beschreiben, seine Präsenz hatte eine ganz besondere Schwingung. Und so haben wir sechs Jahre gemeinsam das Büro gestaltet.“
Wenn Sie auf 25 Jahre zurückblicken – welches Projekt ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
„Da fällt mir die Ortsentwicklung in Aigen ein. In einem fünfjährigen Prozess ist es gemeinsam mit dem damaligen Bürgermeister Raimund Hager gelungen, einen Ortskern zu gestalten. Nach vielen, vielen Sitzungen und Bürgerbeteiligung ist nun die Kirche integriert, es sind 40 Wohnungen entstanden und die Vereine beleben diesen Platz. Aigen hat seitdem eine Mitte, wo vorher ein asphaltierter Parkplatz war.“
Wie hat sich die Architekturbranche aus Ihrer Sicht in den letzten 25 Jahren entwickelt? Was hat sich geändert?
„Bis in die 2010er-Jahre herrschte eine schnelllebige, dezentrale Entwicklung vor. Das habe ich aber nie forciert. Es war eine Zeit, in der man zu wenig hinterfragt hat. Mit Corona kam ein großer Schnitt und man begann wieder Werte und Qualitäten zu erkennen. Kleinere Einheiten, die miteinander in kleinen Quartieren harmonieren, die Kombination mit Geschäften und Praxen, Begegnungsräume in den Außenräumen. Auch bei den Materialien merkt man, dass die Menschen wieder mehr spüren möchten. Eine glanzlackierte Oberfläche darf wieder eine Struktur haben, ein Boden darf wieder geölt sein, Putz darf wieder rau sein. Vor allem Materialechtheit steht hoch im Kurs.“
Wirkt sich der zunehmende Fokus auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz auf Ihre Arbeit aus?
„Jedenfalls. Es geht um sorgsamen Umgang mit Grund und Boden, um Grünraum und Freiflächen, die man erhalten will. Man will den am Land notwendigen Verkehr in Tiefgaragen unterbringen, man begrünt Flachdächer. Auch die energetische Ausrichtung hat heutzutage einen ganz anderen Stellenwert.“
Wie wird sich die Baukultur in den nächsten 25 Jahren entwickeln?
„Ich glaube, dass auf jeden Fall viel mehr Verständnis, Zeit und Engagement in die Bestandsstrukturen gelegt werden muss. In allen unseren Gemeinden gibt es Riesenpotenziale, die genützt werden. Starke Zentren stiften Identität – im Gegensatz zu anonymen Bauten an Ortsrändern, wie man es im amerikanischen Raum sieht. In Gröbming strahlt zum Beispiel das Zentrum Kraft und Energie aus.“