Der geheimnisvolle Wunschzettel
19.12.2025Mila seufzte und schob den Einkaufswagen durch die überfüllten Gänge. Kurz vor Weihnachten war es immer besonders hektisch. Dann standen sie auch noch in einer langen Schlange an der Kasse. Es war so langweilig! Da kam ihr eine Idee. „Mama, kann ich vorn auf dich warten? ...
Mila seufzte und schob den Einkaufswagen durch die überfüllten Gänge. Kurz vor Weihnachten war es immer besonders hektisch. Dann standen sie auch noch in einer langen Schlange an der Kasse. Es war so langweilig! Da kam ihr eine Idee. „Mama, kann ich vorn auf dich warten? Manchmal haben sie da die kleinen Comic-Hefte zum Mitnehmen.“ Ihre Mutter nickte und Mila sprintete los. Doch enttäuscht stellte sie fest, dass es nur noch kostenlose Rezepthefte gab. Dann sah sie das Schwarze Brett an der Wand. Neugierig las sie die Zettel mit Angeboten für Nachhilfe, Babysitting oder abzugebende Haustiere, als sie mit dem Fuß gegen etwas stieß. Sie hob ein zerknülltes Blatt Papier auf, strich es glatt und las: „Lieber Weihnachtsmann, ich wünsche mir dieses Jahr kein Spielzeug. Bitte schenk Sophie aus dem vierten Stock ein neues Springseil und bring Herrn Klein aus dem Erdgeschoss eine Pflanze für seine Fensterbank. Und bitte lass alle Nachbarn ein gemeinsames Fest feiern, damit niemand mehr allein ist. Dein E.“ Jemand hatte nach dem „E“ aufgehört weiterzuschreiben. Sie drehte den Zettel um. Kein Absender, keine Adresse. Nur diese drei Wünsche. Schnell steckte sie ihn in ihre Jackentasche.
Zu Hause zeigte sie ihrem Bruder Tom den Zettel. „Komisch“, sagte er. „Bei uns wohnt doch unten Herr Klein und über uns Sophie.“ – „Genau“, sagte Mila. „Und gestern hat Herr Klein mir erzählt, dass seine Pflanze eingegangen ist. Und Sophie springt gar kein Seil mehr.“ – „Hm, letzte Woche lag ein kaputtes Seil in der Mülltonne.“ Mila nickte. „Alle Wünsche betreffen jemanden in unserem Haus. Und ein Hoffest haben wir schon lange nicht mehr zusammen gefeiert.“ Mila überlegte. „Der Zettel lag zerknüllt auf dem Boden. Den kann kein Weihnachtsmann mehr lesen, um die Wünsche zu erfüllen.“ Ihr Bruder nickte. „Traurig. Aber da kann man wohl nichts machen.“ Doch Mila schüttelte den Kopf. „Wir können die Wünsche erfüllen!“ Tom sah sie erstaunt an und sagte: „Wir würden allen eine Freude machen.“ Mila hüpfte aufgeregt herum. „Ganz bestimmt sogar und ich habe auch schon eine Idee, wie wir den Wunsch für Sophie erfüllen können.“
Kurz darauf kramten die Geschwister im Keller in einer Kiste, bis Mila rief: „Hier ist es!“ Sie hielt ihr altes Springseil hoch, das aber noch unbenutzt aussah. Aufgeregt schlichen sie sich in die Etage, in der Sophie wohnte, und wickelten das Springseil mit einer roten Schleife um die Klinke der Wohnungstür. Tom hatte eine Idee für den zweiten Wunsch. „Wir fragen im Supermarkt nach den Pflanzen, die sie aussortieren, weil sie nicht mehr gut aussehen.“ Und tatsächlich überließ der Supermarktleiter ihnen eine vertrocknete Lilie. Doch nach zwei Tagen gießen und mit etwas Dünger sah sie wieder viel besser aus. Mila und Tom stellten sie hübsch eingepackt vor Herrn Kleins Tür. Der dritte Wunsch war schwierig. Wie sollten zwei Kinder ein Fest für alle Nachbarn organisieren? Es sollte geheim bleiben, wer dahintersteckte, und für ein Fest brauchte man auch Essen und Trinken. Schließlich bastelten sie Einladungskarten: „Kommt alle am 23. Dezember auf den Hof. Bringt Plätzchen, Tee oder etwas anderes mit und lasst uns alle zusammen ein Fest feiern.“ Sie waren aufgeregt, ob überhaupt jemand kommen würde.
Doch am 23. Dezember füllte sich der Hof schnell mit Nachbarn, die Plätzchen, heiße Getränke und Lichter mitbrachten. Da bemerkte Mila ein Kind. Es stand ganz still am Rand und schaute schüchtern zu ihnen herüber. „Hallo, wer bist du?“, fragte Mila. Das Kind sah zu Boden. „Ich heiße Emil. Ich bin neu hier. Ihr habt meinen Wunschzettel gefunden, oder? Ich habe ihn wohl irgendwo verloren.“ Mila lächelte. „Emil! Es hat trotzdem geklappt! Alle Wünsche wurden erfüllt.“ Und während dicke Schneeflocken vom Himmel fielen, feierten alle zusammen einen wunderschönen Abend – sogar mit einem neuen Freund: Emil.
DEIKE
