„Es geht um Bürgerrechte“

Gemeinde und die Initiative „Fairkabeln“ sind sich einig: Die Hochspannungsleitung muss unter die Erde. Am Podium: Bürgermeister Hermann Trinker, Vizebürgermeister und Rechtsanwalt Hans-Moritz Pott, Annemarie Nakel, Günter Rettenbacher, Franz Fuchsberger. Foto: Ennstaler

Aufbruchstimmung herrschte bei der Bürgerversammlung im Schladminger Congress. Die Initialveranstaltung für die Verlegung eines Erdkabels anstatt der Generalsanierung der 220-kV-Hochspannungsleitung ist der Startschuss für eine gemeindeübergreifende Bewegung.

Am vergangenen Dienstag, dem 9. August, lud die Stadtgemeinde Schladming und die Bürgerinitiative „Fairkabeln Ennstal“ zu einer Bürgerversammlung in den Congress. Trotz später Zustellung des Postwurfs folgten an die 180 Bürger dem Aufruf.

Neben vielen Schladmingern und einigen Gemeinderäten besuchten auch Bewohner aus angrenzenden Gemeinden sowie die Bürgermeister Ernst Fischbacher (Ramsau) und Fritz Zefferer (Mitterberg-Sankt Martin) die Veranstaltung. Bürgermeister Hermann Trinker, Hans-Moritz Pott als Gemeindevertreter und Rechtsanwalt, die Bürgerinitiativen-Gründer Annemarie Nakel und Günter Rettenbacher sowie Fairkabeln-Salzburg-Obmann Franz Fuchsberger nahmen auf der Bühne Platz. Aufgrund der Kurzfristigkeit und Urlaubszeit konnte die Austrian Power Grid (APG) keinen Vertreter schicken. Der Netzbetreiber sicherte Bürgermeister Hermann Trinker jedoch zu, bei einer Folgever­an­staltung teilzunehmen und sich der Diskussion zu stellen.

„Schwierig und prekär“

Die Bürgerinitiative sowie die Gemeindeführung der Stadt Schlad­ming fordern eine Erdverkabelung anstatt der Generalerneuerung der 220-kV-Freileitung der APG zwischen Weißenbach bei Liezen und Wagrain. „Es geht um Bürgerrechte“, eröffnete Bürgermeister Trinker den Abend. „Ich bin guter Dinge, dass noch nicht alles verloren ist und es möglich ist, ein Erdkabel zu bekommen.“ Solange es eine erkennbare Chance gebe, würde er dafür eintreten. Der 1. Vizebürgermeister Hans-Moritz Pott beurteilt die Sache aus juristischer Sicht „schwierig und prekär“.

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die General­erneuerung der Leitung ist laut Behörden nicht erforderlich, das ist bis zum Bundesverwaltungsgericht durchgefochten. Dennoch sehe er eine Chance, an diesem Punkt anzusetzen. „Ich kann nichts versprechen, aber wir werden kämpfen, wenngleich wir rechtlich einen schwierigen Standpunkt haben“, so Pott.

Vollendete Tatsachen

Viele direkte Betroffene fühlen sich zu wenig und vor allem zu spät informiert. Die APG habe das Vorhaben sehr geschickt eingefädelt, sagte Fairkabeln-Ennstal-Mitbegründer Günter Rettenbacher, und sie sei nicht bereit über Alternativen zu sprechen. „Es ist nicht zu verstehen, warum man so über die Bevölkerung drüberfährt, so spät informiert und sich einer modernen Technologie verschließt“, monierte Rettenbacher. Seine Mitstreiterin Annemarie Nakel ist direkt betroffene Anrainerin. Sie habe von der Verhandlung zur Generalsanierung der Freileitung, welche am 12. Juli in Gröbming stattfand, nur zufällig erfahren. Dort sei ihr erst klar geworden, wie wenig Spielraum den Einwohnern eingeräumt werde.

Eine andere Anrainerin wurde erst im Juli per Brief über das Projekt informiert. Vom genauen Verhandlungstermin ist in dem Schrei­ben nicht die Rede. Außerdem versprach man, dass man einen Gesprächstermin vereinbaren werde. „Darauf warten wir bis heute“, ärgert sich die Betroffene. Das Schreiben liegt der Redaktion vor. Auch die Gemeinden wurden erst informiert, als das Projekt in erster Instanz beschlossen war. Das war Ende Oktober 2020.

Momentum geschaffen

Franz Fuchsberger hat den Verein Fairkabeln-Salzburg vor zwei Jahren mitbegründet und die Obmannschaft übernommen. Die Bewegung setzte sich für eine Erdverkabelung der Salzburg-Leitung ein. „Wir gründeten die Initiative zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, als die ersten Baumaßnahmen bereits in Gange waren“, wie Fuchsberger schildert. 13.000 Unterstützer, sogenannte „Fairkabler“, schlossen sich der Initiative an.

„In Salzburg haben wir die Freileitung nicht mehr abwenden können, aber wir haben ein Momentum geschaffen.“ Das Ennstal-Leitung-Projekt sei zwar auch schon weit fortgeschritten, aber es bleibe noch etwas mehr Zeit. Fakt sei: „Ohne Initiativen wird die Leitung wie geplant gebaut“, ist sich Fuchsberger sicher. Ein Erdkabel sei sowohl aus Landschaftsgründen als auch aus gesundheitlichen Gründen die bessere Alternative. Auch wirtschaftlich spreche laut Fuchsberger alles für eine Verkabelung. Unter Berücksichtigung der Betriebs- und Verlustkosten würden sich die höheren Errichtungskosten – je nach Strompreisen – nach einem Bruchteil der Laufzeit amortisieren.

Gemeindeübergreifende Kooperation

Zwar sei seine Gemeinde nicht direkt betroffen, sagte Ramsaus Bürgermeister Ernst Fischbacher, aber „wir sind eine Erlebnisregion. Die Unterstützung der Rams­au ist euch sicher.“ Seinem Amtskollegen aus Mitterberg-Sankt Martin, Fritz Zefferer, ist das Thema ebenso wichtig. „Uns waren die Auswirkungen am Anfang nicht bekannt“, so der Bürgermeister. „Es ist unser politischer Auftrag, dass wir uns als Bürgermeister zusammentun. Ich würde da gerne dabei sein.“ Pilotprojekte für Erdverkabelung müssten über die gesamte Länge der Ennstal-Leitung in Betracht gezogen werden. Dass die APG von ihren Plänen abrückt, könne nur durch Druck aus dem Kollektiv erreicht werden, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. „Ich habe unsere Argumente dem Landeshauptmann mitgeteilt. Er weiß, dass sich Ärger im oberen Ennstal formiert und wir hier am Werken sind“, berichtet der 2. Vizebürgermeister der Stadt Schladming Franz Schaffer (ÖVP). Viele Besucher gaben sich kampfbereit und sicherten dem sich in Gründung befindlichen Verein „Fairkabeln Ennstal“ ihre Unterstützung zu. „Ich bin mir sicher, dass zwei, drei geschickt worden sind, die der APG berichten wie die Stimmung hier ist. Ich glaube das ist auch gut so“, sagt Hans-Moritz Pott. Ein Folgetermin für eine weitere Bürgerversammlung zur Erdverkabelung ist im September anberaumt. „Das Ennstal hat die Chance die erste Region zu sein, die eine Verkabelung bekommt und nicht die letzte, die eine Freileitung hat“, sagt Franz Fuchsberger abschließend.

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