„Wir stehen an einem Scheidepunkt“
10.10.2025 RegionalesNach knapp eineinhalb Jahren Recherche hat der Verein „Land schafft Leben“ kürzlich den Bericht „Landwirtschaft, Lebensraum und Tourismus“ veröffentlicht. Obmann Hannes Royer spricht über die Hintergründe und die Zusammenhänge.
...Nach knapp eineinhalb Jahren Recherche hat der Verein „Land schafft Leben“ kürzlich den Bericht „Landwirtschaft, Lebensraum und Tourismus“ veröffentlicht. Obmann Hannes Royer spricht über die Hintergründe und die Zusammenhänge.
Sie sagen, ohne die Landwirtschaft wäre der Tourismus in Österreich nicht denkbar. Warum?
„Unsere Landschaft ist der Hauptgrund, dass Menschen in Österreich ihren Urlaub verbringen. Diese Landschaft ist geschaffen von unserer Landwirtschaft. Außerdem liegen die Ursprünge des Tourismus im Alpenraum auf der Alm, als die ersten Alpinisten auf den Almhütten übernachteten, um die Gipfel zu besteigen. Noch heute sind unsere Almen die Juwele des Tourismus. Leider sind bei vielen Touristikern diese Punkte in Vergessenheit geraten.“
Sie prognostizieren eine Kettenreaktion: Geht die Landwirtschaft, geht der Tourismus. Ist es nicht umgekehrt auch so? Braucht die Landwirtschaft den Tourismus?
„Landwirtschaft und Tourismus sind eine Symbiose, die derzeit im Einklang ist und funktioniert. Aber sie bekommt Risse. Starke Risse. Pro Tag sperren in Österreich neun Bauernhöfe für immer zu. Das ist viel. Im Alpenraum hält sich die Landwirtschaft halbwegs, weil der Tourismus in direkter oder indirekter Form ein Zusatzeinkommen sichert. So gibt es Möglichkeiten, den Betrieb abzusichern. Verlieren wir die Almen und die gepflegte Landschaft, verlieren wir aber auch den Tourismus. Beispiele dazu gibt es bereits in Trentino oder in den französischen Alpen, wo ganze Täler veröden. Landwirtschaft und Tourismus brauchen sich gegenseitig.“
Darum appellieren Sie, österreichische Lebensmittel auf die Teller zu bringen, um die Grundlage des Tourismus zu erhalten.
Gastwirte und Restaurants erforderlich. Im letzten Jahr hat sich aber deren Einkaufsverhalten stark gewandelt. Nicht zuletzt durch Corona waren bis 2023 Themen wie Qualität, Nachhaltigkeit und Herkunft das Hauptkriterium in der Gastronomie.
Derzeit ist ein starkes Wachstum bei billigsten Lebensmitteln zu verzeichnen. Mehr als die Hälfte des gesamten Fleisches stammt nicht aus Österreich und der Trend geht hin zur niedrigsten Qualitätsstufe. Es treten Händler auf den Markt, die so schlechte Qualität bieten, die wir bislang gar nicht kannten. Wir fordern seit Jahren eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie. Diejenigen, die freiwillig die Herkunft angeben, kaufen bereits fast ausschließlich österreichische Lebensmittel.“
Im jüngst veröffentlichten Report von „Land schafft Leben“ ist von einem Schrumpfen der Almen die Rede. Allein in den letzten 20 Jahren sind rund 1000 Almen in Österreich zugewachsen. Wenn der Wert der Almen so hoch ist, warum verschwinden sie?
„Das liegt an der beschwerlichen Bewirtschaftung. Zum Großteil ist das nur mit Weidetieren möglich und nicht maschinell. Es fehlen die Arbeitskräfte auf den Höfen. Der Arbeitsdruck ist zu hoch und finanziell ist zu wenig Anreiz da. Wir reden immer nur davon, dass Lebensmittel billiger werden müssen. Aber sie haben eh schon keinen Wert mehr. Wir geben jetzt sogar weniger aus als vor einem Jahr – nämlich unter zwölf Prozent des Haushaltseinkommens. Da liegen wir weit hinter Italien und Frankreich.“
Stimmt es Sie traurig, dass die Schaffung einer zentrale Lebensgrundlage, nämlich die Produktion von Essen, am Tropf der Förderstellen hängt?
„Die härteste Erkenntnis in elf Jahren ,Land schafft Leben‘ für mich ist, dass die Landwirtschaft nie viel verdienen wird. Die Politik will das gar nicht. Schon bei den Römern gab es Brot und Spiele für das Volk. Man wollte Menschen beschäftigen und ihnen billigen Fraß hinwerfen. Das ist sehr bitter für mich. Ich betrachte meinem Berufsstand mit Stolz und Ehrfurcht, weil wir ,Lebens‘mittel produzieren. In Wahrheit will man unsere Schicht steuern und gerade so am Leben halten. Darum geben viele auf. Die Folge ist, dass sich Österreich selbst nicht mehr versorgen kann und vom Ausland abhängig ist.“
Sehen Sie es als Degradierung vom Lebensmittelproduzenten zum Landschaftsgärtner?
„Ja, es ist eine Degradierung. Aber ich würde sagen, jeder Bauernhof macht das aus Selbstverständnis mit, im Wissen dass er Lebensmittel produziert. Wenn es nur noch ums Landschaftsgärtnern geht, wird die Bauernschaft aussteigen.“
Wie sieht die Zukunft der österreichischen Landwirtschaft aus?
„Wir stehen an einem Scheidepunkt. Wenn da nicht ein massives Umdenken kommt, dass uns das Mittel zum Leben etwas wert ist, dann werden diese neun Bauernhöfe, die derzeit täglich zusperren, erst der Anfang sein. Dem Großteil der Konsumenten geht es nicht darum ,kann ich es mir leisten‘, sondern ,was ist mir wichtig‘. Zusätzlich möchte die EU-Kommission die Agrarbudgets kürzen und zusammenlegen. Wenn das passiert, ist das das Ende der Berglandwirtschaft.“
