Seit mehr als zwanzig Jahren finden die Kleinsten der Gesellschaft im Kinderschutzzentrum Unterstützung. Für viele ist es eine Hürde, Hilfe zu holen.
Kinder geraten meist unverschuldet in schwierige Lebenslagen, tragen aber das ...
Seit mehr als zwanzig Jahren finden die Kleinsten der Gesellschaft im Kinderschutzzentrum Unterstützung. Für viele ist es eine Hürde, Hilfe zu holen.
Kinder geraten meist unverschuldet in schwierige Lebenslagen, tragen aber das größte Leid. Und das kann prägend für ein ganzes Leben sein. Zerrüttete Familienverhältnisse, Gewalt, Missbrauch, Mobbing. „Die komplette Bandbreite, bis hin zu Missbrauchsfällen, ist auch im Bezirk Liezen gegenwärtig. Die Fälle ziehen sich durch alle gesellschaftlichen Schichten“, sagt die Leiterin des Kinderschutzzentrums Liezen, Christina Wegscheider. Immer dann, wenn sich Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen befinden, bietet das Kinderschutzzentrum Hilfe an. Und das kostenlos.
Viel Bedarf
Das Kinderschutzzentrum in Liezen hat Roswitha Preis vor über 20 Jahren gegründet. Trägerverein ist die Volkshilfe Steiermark, subventioniert wird die Einrichtung vom Land Steiermark sowie dem Sozial- und dem Justizministerium. Rund 450 Klientinnen und Klienten aus dem Großraum Liezen betreut das fünfköpfige Team jährlich. Es handelt sich dabei um klinisch-psychologische Behandlungen, Psychotherapien bis hin zu Besuchs- und Prozessbegleitung. Bedarf gebe es viel mehr, sagt Wegscheider, doch dazu fehlen die finanziellen Mittel. Das Angebot ist niederschwellig zugänglich, denn sämtliche Beratungen und Behandlungen sind kostenlos. „Trotzdem ist die Hürde mit uns in Kontakt zu treten hoch. Denn die Initiative muss – wenn nicht gerichtlich angeordnet – von den Familien selbst ausgehen“, erklärt Wegscheider.
Symptom, aber nicht Ursache
Sehr oft wenden sich besorgte Eltern an das Kinderschutzzentrum, wenn sie Auffälligkeiten oder Verhaltensänderungen bei ihren Kindern feststellen, wie etwa übersteigert aggressiv oder extrem zurückgezogen. „In vielen Fällen stellt sich heraus, dass die Kinder Symptomträger sind, das Problem aber im familiären System liegt“, sagt Wegscheider. Für die Therapeuten ist Fingerspitzengefühl gefragt, um eine Vertrauensbasis zum Kind aufzubauen. Entsprechend lange kann es dauern, bis ein Kind zu reden beginnt. Mit Erfahrung und unterschiedlichen Methoden, viel über spielerisches Tun, kann man zum Kind durchdringen und der Ursache auf den Grund gehen. Das Angebot richtet sich an Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 18 Jahren. Die Dauer der Therapien variiert. Teilweise reicht eine Einheit im Zuge einer Elternberatung, in Extremfällen geht die Therapie über ein Jahr hinaus.
Von der Anzeige bis zur Verhandlung
Wegscheider erzählt von Fällen, wo erst nach mehreren Sitzungen ein Missbrauch zum Vorschein kommt. „Wir unterliegen der Schweigepflicht. Sind aber – so wie alle anderen Institutionen – verpflichtet Meldung zu erstatten, wenn eine akute Kindeswohlgefährdung gegeben ist“, erklärt sie. Dann meldet das Kinderschutzzentrum den Fall an die Bezirkshauptmannschaft und der Behördenweg nimmt seinen Lauf. Auch Gerichtstermine sind für Kinder extrem belastend.
„Wir begleiten die Kinder von der Anzeige bis zur Hauptverhandlung und darüber hinaus. Unser Ziel ist es eine Retraumatisierung zu verhindern“, erklärt Wegscheider. Vertreter des Kinderschutzzentrums bereiten die Kinder auf die Termine vor und erklären, welche Szenarien eintreten können. Sie können auch als Vertrauenspersonen hinzugezogen werden. „Insbesondere bei älteren Kindern sind Missbrauchsfälle oft mit Scham behaftet – auch gegenüber den Eltern. Wenn die Kinder möchten, begleiten wir sie“, erklärt Wegscheider.
Mobbing in sozialen Medien
Die Problembereiche sind immer die gleichen, sie treten nur in unterschiedlichen Ausprägungen auf. „Ganz massiv haben sich die Mobbing-Fälle in Schulen gehäuft. Und sie treten auch immer früher auf“, sagt Wegscheider, „Meine Theorie ist, dass sich die psychische Gewalt in soziale Medien verlagert, wo es von Lehrern und Eltern schwierig ist zu kontrollieren.“ Digitale Bildung mache deswegen aus ihrer Sicht schon in der Volksschule Sinn. „Sobald Kinder Zugang zu diesen Medien haben, müssen sie wissen, was es bedeutet ein Foto oder Video auf Tiktok zu veröffentlichen“, sagt die ausgebildete Sozialarbeiterin.
Keine Planungssicherheit
Für die Zukunft wünscht sich Christina Wegscheider, dass Kinderschutz den Stellenwert erhält, den er verdiene. Dazu müsse in erster Linie das Budget angepasst werden und eine Grundfinanzierung gesichert werden.
„Es muss so sein, dass der Grundbedarf gedeckt werden kann, ohne dass wir auf zusätzliche Spenden angewiesen sind“, sagt die Leiterin. Denn derzeit sei die Planungssicherheit nicht gegeben. Erst im November erfährt sie wie viel Fördergelder ausgeschüttet werden, danach kann sie die Stunden für das kommende Jahr budgetieren.