Zweitwohnsitze: Profit auf Kosten der Einheimischen

Wie alle Kommunen der Kleinregion Schladming zählt auch die WM-Stadt zu den Vorbehaltgemeinden, in denen Zweitwohnsitze nur in ausgewiesenen Ferienwohngebieten errichtet werden dürften. Die gelebte Praxis sieht jedoch anders aus. Foto: Martin Huber

Sie schießen in den Tourismusorten des oberen Ennstals aus dem Boden wie Pilze bei passendem Wetter – die Apartmentanlagen, Hüttendörfer und Ferienwohnungen. Gewinner sind dabei nur wenige und meist immer die selben. Verlierer jedoch gibt es reihenweise – nämlich die Einheimischen, die sich bei den dadurch explodierenden Immobilienpreisen das Wohnen in der eigenen Gemeinde nicht mehr leisten können und in andere, billigere Kommunen abwandern müssen.
„Jeder Bürgermeister sollte eigentlich darauf achten, dass der Bevölkerung in seiner Gemeinde genügend leistbarer Wohnraum zur Verfügung gestellt wird. Doch speziell in den Tourismus­orten wie Schladming und Haus im Ennstal ist das nicht mehr der Fall – hier haben die Ortschefs in den letzten Jahren meist eine gegenteilige Entwicklung vorangetrieben, die ihnen über kurz oder lang auf den Kopf fallen wird“, sagte ein anerkannter Grazer Immobilienexperte, der sich nach unserem letzten Bericht über den „Ausverkauf der Heimat“ in der „Ennstaler“-Redaktion meldete. Auf die Frage, worin er die Ursache dafür sieht, meinte der Fachmann: „Der Ursprung dieser Entwicklung liegt in der Hotelfinanzierung. Betrieben fehlte für Investionen, zum Beispiel den Ausbau oder größere Renovierungen, das Kapital und Banken sträubten sich bei der Finanzierung. Daraus entstanden dann Modelle wie ‚Buy-to-let‘, bei denen es zwar einige Gewinner gibt, die aber auch den großen Nachteil haben, dass die Immobilienpreise in Gemeinden wie Schladming in die Höhe schnellen und das Wohnen für die heimische Bevölkerung kaum oder gar nicht mehr leistbar machen.“
Modell „Buy-to-let“
Das Buy-to-let-Modell, auf Deutsch „„Kaufe um zu vermieten“, funktioniert relativ einfach: Ein Unternehmen errichtet zum Beispiel eine Apartmentanlage, parifiziert sie, sodass jede einzelne Wohneinheit im Grundbuch einen eigenen Eigentümer haben kann, und verkauft die Einheiten anschließend einzeln an Investoren. Diese vermieten ihr Apartment (oder Apartments, man kann natürlich auch mehrere kaufen) dann aber nicht selbst, sondern müssen vertraglich zustimmen, dass sie an eine Betreibergesellschaft verpachtet wird. Von dieser wird das Apartment die meiste Zeit des Jahres an Touristen vermietet. Meist vier Wochen im Jahr – zwei im Winter und zwei im Sommer – kann sie der Eigentümer selbst nutzen. Jeweils am Jahresende erhält der Investor eine Dividende in der Höhe von in etwa 80 Prozent – die Betreibergesellschaft behält sich 20 Prozent ein. Nach zehn, 15 oder 20 Jahren (je nach Laufzeit) endet dann der Vertrag mit der Betreibergesellschaft, das Apartement kann frei benützt werden und wird damit zu einem Zweitwohnsitz. Touristisch für eine Region wie Schladming-Dachstein, die über rund 30.000 Gästebetten verfügt, nicht mehr verwertbar und damit ein „kaltes Apartment“, das die meiste Zeit im Jahr die Fensterläden geschlossen hat.
Ein solches Objekt ist zum Beispiel das „Apart4you“ oder „Apart 33“ in Haus im Ennstal. Als Betreiber weist das Grundbuch die Homeconcept Exclusive Living GmbH mit Sitz am Gumpenberg aus. Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist Heinz Walcher. Als Investoren finden sich Namen aus vieler Herren Länder aber auch andere Gesellschaften wie die York Apartment GmbH, die Getaway Vacation GmbH, die Snowflake dream GmbH oder die SnowFly Habitat Gmbh. Sie alle vereint ein gemeinsamer Tätigkeitsbereich – nämlich die Immobilienbranche. Und hier geht es um die Vermietung und Verpachtung von Ferienwohnungen oder den An- und Verkauf von Immobilien.
Vorbehaltsgemeinden
Wirft man nun einen genaueren Blick auf Schladming, Ramsau am Dachstein und Haus im Enns­tal, fällt einem schnell auf, dass alle drei Kommunen sogenannte Vorbehaltsgemeinden sind. Das heißt, dass Zweitwohnsitze nur in ausgewiesenen Ferienwohngebieten errichtet werden dürfen, nicht jedoch in Wohngebieten. In Schladming zum Beispiel sind Ferienwohngebiete am Sonnenhang und in Untertal ausgewiesen – „Buy-to-let“-Projekte findet man jedoch in der gesamten WM-Stadt, also auch im Wohngebiet. Von der Stadtverwaltung werden offiziell 809 Ferienwohnungen angegeben, die Dunkelziffer dürfte jedoch weit über 1000 liegen.
Nicht anders sieht die Situation in Haus im Ennstal aus, wo in den letzten Jahren ein richtiger „Buy-to-let“-Boom eingesetzt hat. Erstes Projekt war im Jahr 2012 das „Alpin Living“ mit über 50 Wohnheiten, danach folgte das bereits beschriebene „Apart­4you/Apart 33“ mit 36 Einheiten, dann die „Sky Lodge“ am Gumpenberg und schließlich das Almdorf mit 36 Premium-Chalets und 30 Suiten. Dem Vernehmen nach sind weitere Projekte an der sogenannten „Billa-Einfahrt“ und beim Hotel Stenitzer mitten im Ortszentrum geplant. Taucht man tiefer in die Materie ein, stolpert man immer wieder über die selben handelnden Personen, die in unterschiedlicher Weise an entweder mehreren oder einzelnen Projekten beteiligt sind. Auffallend in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, dass der Name des Bausachverständigen der Marktgemeinde in einigen Projekten immer wieder auftaucht. Hier stellt sich die Frage, ob es nicht zu Interessenskonflikten der beteiligten Personen kommt. Besondere Rollen nehmen auch der Raumplaner der Kommune sowie der Bürgermeister als erste Bauinstanz ein – deutlich zu Tage trat dies zum Beispiel beim Chaletdorf, bei dem noch viele Fragen offen sind.
Ramsau steuert entgegen
Die Gemeinde Ramsau am Dachstein unter Bgm. Ernst Fischbacher steuert dieser Entwicklung aktiv entgegen, indem man bei Widmungen im Bauland äußerst penibel prüft und Zweitwohnsitze ausschließlich in ausgewiesenem Ferienwohngebiet erlaubt.

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