Verkehrslösung Liezen: Ausbau oder Umfahrung?

Entlang der ursprünglichen Liezener Umfahrung haben sich im Laufe der Zeit unzählige Geschäftslokale angesiedelt. Vier Ampeln beeinträchtigen den Verkehr, an Lösungen wird gearbeitet. Foto: Erich Hagspiel

In Liezen soll der Verkehr flüssiger werden. Zu klären ist, wie. Dazu   prüft das Land zwei Möglichkeiten: Den Bestandsausbau und eine Umfahrung. Letztere würde jedoch eine weitere Bodenversiegelung   und den Verlust von Lebensraum und Naherholungsgebieten bedeuten.

Vor zwei Jahren trat das LKW-Fahrverbot auf der B 320 in Kraft. Die Verordnung bezieht sich auf eine 7,5-Tonnen-Beschränkung, die Mautflüchtlinge zurück auf die Autobahn bringen soll. Zuvor nutzten ganze 43 Prozent aller über 7,5-Tonnen-Lastkraftwägen, die über die B 320 rollten, die Strecke lediglich als Ausweichroute zwischen der Tauern- und der Pyhrn­autobahn. Seit dem Transitverkehr ein Riegel vorgeschoben wurde, hat sich die Situation auf der Ennstal-Bundesstraße zwar deutlich verbessert, in Liezen will man trotzdem nachschärfen. Grund: Vier Ampeln bremsen den Verkehr auf der Durchfahrtsstraße durch Liezen, die ursprünglich als Umfahrungsstrecke der Bezirkshauptstadt gedacht war. Nun steht man vor der Frage: Braucht es tatsächlich eine Umfahrung der Umfahrung? Oder kann man den bereits bestehenden Streckenabschnitt durch gezielte Maßnahmen optimieren? Das Land Steiermark beschäftigt sich mit der Prüfung beider Varianten. Welche Variante die politischen Vertreter von Liezens Stadtgemeinde bevorzugen – „Der Ennstaler“ hat nachgefragt.

„Nur eine Ampel entfernen, reicht nicht“

Während viele konkret Stellung beziehen, hält sich Liezens Bürgermeisterin vorerst noch bedeckt: „Es geht nicht darum, was mir lieber ist, sondern welche Lösung für die Stadt und ihre Bürger die beste ist“, sagt Roswitha Glashüttner. Eines legte Liezens Stadt­oberhaupt jedoch klar: „Wenn umfahren werden muss, dann so südlich wie möglich.“ In diesem Punkt sind sich Liezens SPÖ und ÖVP einig: „Eine Umfahrung müsste so südlich wie möglich verlaufen. Bloß eine Straße auf die grüne Wiese zu legen, ist sicher zu wenig“, sagt auch Egon Gojer. Laut dem Fraktionsführer von Liezens ÖVP wäre ebenso die zweite Variante denkbar: „Wenn ein Bestandsausbau tatsächlich möglich ist, dann muss dieser vernünftig sein. Nur eine Ampel zu entfernen, reicht nicht.“

Sorge um Naherholungsgebiet

Für August Singer von der Bürgerliste LIEB kommt eine Umfahrung nicht in Frage: „Eine Umfahrung würde mitten durch Liezens Naherholungsgebiet führen.“ Singers Sorge gilt auch der Garten­haussiedlung südlich der Bezirkshauptstadt: „Für rund 200 Gartenhausbesitzer würde diese Umfahrung eine Wertminderung ihres Besitzes und ihrer Erholungsqualität bedeuten. Diesen Preis ist der Verkehr nicht wert. Da geht es nicht um Geld, sondern um Wertigkeit und um den Verlust von Lebensraum.“ Thomas Wohlmuther von der FPÖ sagt: „Ich bin für sinnvolles Erneuern von Bestehendem und nicht für das Zerstören von Natur und Erholungsgebieten“, so Wohlmuther, der hinzufügt: „Für die Unterstützung des Landes bin ich dankbar, denn das Wichtigste ist, die Umsetzung muss so schnell wie möglich beginnen.“ Auch Werner Rinner von der Bürgerliste LILIE fordert eine rasche Lösung: „Wir wollen nicht schon wieder diskutieren und abermals viel Geld für die Planung in die Hand nehmen, sondern eine Lösung haben.“ Die Liste LILIE spricht sich für beide Varianten aus, gibt jedoch zu bedenken: „Wir wollen eine sinnvolle Lösung und das kann sowohl der Bestandsausbau als auch eine teilweise Umfahrung von Liezen sein. Wobei es in Zeiten wie diesen eher schwer werden wird, eine Umfahrung zu realisieren. Schließlich geht es dabei auch um Flächenversiegelung und Naturschutz.“

Jenny Kolb von den Grünen spricht sich klar gegen die Verbauung weiterer Flächen und somit gegen eine Umfahrung aus: „Mein Ansatz ist, den öffentlichen Verkehr weiter auszubauen, damit so wenig Individualverkehr wie möglich durch das Ennstal rollt. In Tirol und Vorarlberg ist es vielerorts schon üblich, dass Touristen mit Öffis anreisen. Ich glaube nicht, dass eine Umfahrung oder weitere Ampeln das Problem lösen. Mehr Straßen ziehen mehr Verkehr an und machen ihn nicht weniger.“

Flächenfraß schreitet weiter voran

Auch Landwirtschaftskammer-Obmann Peter Kettner warnt vor ernsthaften Konsequenzen weiterer Bodenversiegelung durch eine neue Umfahrungsstraße: „Es ist wichtig, landwirtschaftlichen Grund nicht zu verbauen. Da muss es einfach andere Alternativen geben. Wir alle brauchen diese landwirtschaftlichen Produktionsflächen, schließlich geht es um die Nahrungssicherheit und damit um unser aller Existenz. Wir können nicht alles versiegeln“, so Kettner, der betont: „Schaut man sich die Zahlen des täglichen Flächenfraßes an, dann ist es eine logische Konsequenz, dass man diese extreme Bodenversiegelung nicht auf Dauer betreiben kann.“

Beim Verbauen von Flächen ist Österreich mittlerweile der Spitzenreiter im europäischen Vergleich, worauf auch der WWF heuer neuerdings aufmerksam machte. Die Warnung der Naturschutzorganisation: „Die Verbauung Österreichs habe längst jedes naturverträgliche Maß überschritten.“ Mit einer Verbauungsrate von 13 Hektar pro Tag verfehle Österreich das Ziel von 2,5 Hektar um mehr als das Fünffache. Diese vom Bund festgelegte Nachhaltigkeitsstrategie hätte eigentlich schon 2010 erreicht werden sollen. Wie weit Österreich von dieser Zielsetzung tatsächlich entfernt ist, zeigt sich auch durch die rasende Geschwindigkeit der Verbauung: Der Flächenfraß steigt mehr als doppelt so schnell wie die Bevölkerung. Nur mehr rund sieben Prozent der Landesfläche sind als „sehr naturnah“ einzustufen. Weitgehend naturbelassene Landschaftsräume ohne Großinfrastruktur, wie die Enns-Wiesen, sind in niedrigeren Höhenlagen und Talbereichen kaum noch vorhanden.

Südspange parallel zur B 320

Egal welche Variante, ob Bestandsausbau oder Umfahrung, schlussendlich realisiert wird, fix ist: Das Land entscheide nicht über Liezens Kopf hinweg, wie Bürgermeisterin Roswitha Glashüttner betont: „Es passiert nichts, ohne die Stadtgemeinde Liezen einzubinden.“ Man befinde sich im ständigen Austausch mit zuständiger Landesstelle. „Uns ist auch eine Bürgerbeteiligung wichtig“, betont die Bürgermeisterin. Die Prüfung beider Varianten wird zwei Jahre in Anspruch nehmen. In der Zwischenzeit soll die geplante „Südspange“ Erleichterung bringen. Die Straße wird im südlichen Stadtgebiet parallel zur B 320 verlaufen, was ein Umgehen der Ampeln und damit eine leichtere Erreichbarkeit des Gewerbegebietes  ermöglicht. Schon 2016 war man sich im Gemeinderat auch überparteilich einig. Die Chance zur endgültigen Realisierung der lang thematisierten Südspange hat die Stadtgemeinde im Zuge der Errichtung der Shopping-Zone auf dem einstigen Eisenhof-Gelände ergriffen und die Anbindung an die Selzthalerstraße realisiert. Durchgängig bis zur Richard-Steinhuber-Straße ist sie trotzdem noch nicht. Das soll sich allerdings in Kürze ändern. Bereits im Vorjahr hat die Stadtgemeinde das einstige Gelände des Bundesheeres erworben, worauf der letzte Abschnitt der Südspange errichtet werden soll. Ein Lückenschluss im Ausmaß von nicht mehr als 100 Metern. Die Kosten samt Grundstückskauf belaufen sich auf rund 700.000 Euro. Kein Schnäppchen für Liezens Stadtgemeinde, doch notwendig. Schließlich soll die Südspange jenen Abschnitt der B 320 entlasten, der sich von der Abzweigung OBI bis zur Mc-Donald‘s-Kreuzung erstreckt. Geplante Umsetzung: Frühjahr 2022. Zuvor muss eine Vereinbarung mit der Maschinenfabrik Liezen betreffend jener Bahngleise getroffen werden, die einen Teil der Südspange queren und in die neue Straße eingebunden werden. Auch hier ist man bereits auf Schiene. Der Vertrag werde bereits in den kommenden Wochen inhaltlich abgestimmt, sagt Liezens Bürgermeisterin.

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