Schladming fordert Erdverkabelung

Die Bürgerinitiative „Fairkabeln Ennstal“ und der Schladminger Bürgermeister sind sich einig: Die Hochspannungsleitung muss unter die Erde. Foto: Ennstaler

Neue Masten, neue Seile – die Austrian Power Grid plant die Ennstal-Leitung zu erneuern. Ein lediglicher Tausch ist manchen Schladmingern zu wenig. Eine Bürgerinitiative sowie die Gemeinde fordern die Verlegung eines Erdkabels.

Wie berichtet, soll die 220-kV-Leitung der Austrian Power Grid (APG) durch das Ennstal general­erneuert werden. Sämtliche Komponenten wie Masten, Seile und Fundamente werden ausgetauscht und das bestehende Einfachseil wird durch ein Zweier-Bündel ersetzt. Dadurch erhöht sich die Übertragungsleistung. Damit es zu keiner Verschlechterung bei der elektromagnetischen Strahlung für Wohnhäuser kommt, erhöhen sich die Masten um bis zu zehn Meter. Der Trassenverlauf soll exakt der selbe bleiben, ein Erdkabel ist nicht angedacht. Laut dem Land Steiermark und dem Bundesverwaltungsgericht ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für das Projekt erforderlich. Am 12. Juli fand die elektrotechnische und gesundheitliche Verhandlung in Gröbming statt. Einige Betroffene gaben ihre Einsprüche und Stellungnahmen ab, mit einem Bescheid ist im Herbst zu rechnen. Die Erneuerung der Freileitung soll zwischen 2025 und 2027 umgesetzt werden.

Bürgerinitiative für Erdkabel

In Schladming formiert sich nun eine Bürgerinitiative, die für eine Erdverkabelung eintritt. Der Verein „Fairkabeln Ennstal“ befindet sich derzeit in Gründung. Eine der treibenden Kräfte ist Günter Rettenbacher vom Hotel Druschhof in Schladming. „Die Bevölkerung ist nicht informiert und die Betroffenen wissen nicht, dass es Alternativen gibt“, betont Rettenbacher. „Auf diese Diskussion geht die APG allerdings nicht ein. Das ist für sie tabu. Es wäre grob fahrlässig den Generationen nach uns gegenüber, jetzt nicht zu diskutieren. Denn die müssen das Erbe für die nächsten 80 bis 100 Jahre antreten“, erklärt Günter Rettenbacher sein Engagement. Zwei seiner Mitstreiter sind der ehemalige Hauser Gemeinderat Heinz Leitner und der Schladminger Gemeinderat Richard Walcher. Nachdem die Trassenführung gleich bleibt, würde die APG einer UVP ausweichen, mutmaßt Heinz Leitner. Das Projekt müsse jedoch genauer beleuchtet werden, denn die Leitung wurde vor über 70 Jahren unter vollkommen anderen Voraussetzungen errichtet.

Alternativen aufzeigen

Gemeinsam mit der Stadtgemeinde Schladming initiierten die Verantwortlichen eine Bürgerversammlung, welche am kommenden Dienstag, dem 9. August, im Schladminger Congress stattfindet. „Die Totschlagargumente, ein Erdkabel sei zu teuer und technisch nicht durchführbar, stimmen überhaupt nicht“, ist sich Richard Walcher sicher, weswegen man am Dienstag Alternativen aufzeigen möchte, die „im 21. Jahrhundert Stand der Technik sind“. Auch die Stadtgemeinde Schladming pocht auf eine Verkabelung unter der Erde. „In erster Linie geht es mir um das Ortsbild und die touristische Zukunft des Ortes“, sagt Bürgermeister Hermann Trinker und wünscht sich mehr Informationen von der APG zum Thema Erdkabel: „Was ist möglich und was kostet es?“ Auch müssten Überlegungen erlaubt sein, ob nicht eine gemeinsame Trassenführung mit der ÖBB sinnvoll wäre und Synergien genutzt werden könnten.

Kein Argument für Freileitung

Zum Diskussionsabend am Dienstag ist auch Gründer und Obmann des Vereins „Fairkabeln“ aus Salzburg, Franz Fuchsberger, eingeladen. Fuchsberger beschäftigt sich schon jahrelang mit dem Thema Erdverkabelung. Er sagt: „Es gibt überhaupt kein Argument für eine Freileitung.“ Der Eingriff sei minimal umweltinvasiv, zwei Künetten mit maximal 1,5 Meter Breite und Tiefe würden für die Verlegung genügen. Zudem seien die Kabel abgeschirmt und enger beisammen als bei einer Freileitung, was ein viel geringeres elektromagnetisches Feld zur Folge habe. „Wenn man genau über der Künette steht, misst man die gleiche Strahlenbelastung im Körper, als wenn ich in 70 Meter Entfernung zur Freileitung stehe. Drei Meter neben der Erdkabeltrasse ist sie kaum noch messbar.“ Je nach Geländegegebenheiten ist eine Erdverkabelung um das acht- bis 15-fache teurer. Man müsse das in Relation zu den laufenden Kosten setzen, denn die Übertragungsverluste seien bei einer Freileitung um ein Vielfaches höher, erklärt Franz Fuchsberger. Demnach würden sich die höheren Investitionskosten nach 20 bis 25 Jahren amortisieren. Neben den wirtschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen dürfe auch das Landschaftsbild nicht außer Acht gelassen werden: „Die Freileitungen passen überhaupt nicht mehr in unsere Zeit. Als Tourismusland vermarkten wir international die Schönheit unserer Landschaft, gleichzeitig verschandeln wir sie uns mit immer mehr Leitungen.“

Keine Zeit für Alternativen

Wenn man die Klimaziele der österreichischen Bundesregierung erreichen möchte, dürfe man keine Zeit verlieren, sagt APG-Sprecher Stefan Walehrach. „Allein die neue Trassenfindung für ein Erdkabel, würde das Projekt um etliche Jahre zurückwerfen. Diese Zeit haben wir schlichtweg nicht“, so Walehrach. Aufgrund der geopolitischen Situation, der Klima- und Energiekrise sei eine sichere Stromversorgung aus nachhaltigen Energiequellen wichtiger denn je. Dem höheren Übertragungsverlust von Freileitungen widerspricht Walehrach: „Der ist nicht höher als bei Erdkabeln.“ Auch bei der Freileitung werde die modernste Technik eingesetzt. Außerdem gebe es bei Erdkabeln im Hochspannungsbereich keine Langzeiterfahrung. Bei der Bürgerversammlung kann von der APG aus Termingründen niemand vom Projektteam teilnehmen. Man sei aber mit der Gemeindeführung in Kontakt und strebt einen Termin nach den Sommerferien an.

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