Mit leeren Händen in der Morgendämmerung

Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten: ... Die Rechte des Herrn ist erhöht; die Rechte des Herrn behält den Sieg! Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen. Psalm 118,15-17

Einer der größten Sportartikelhersteller trägt den bezeichnenden griechischen Namen Nike: Sieg! In Nike-Produkten gewinnen ist besonders stimmig. Der Bote, der 490 v. Chr. die Botschaft vom Sieg der Griechen über die Perser bei Marathon eiligst und mit letzter Kraft ins 42 Kilometer entfernte Athen brachte, trug zwar noch nicht Nike, begründete aber den Marathonlauf als sportliche Disziplin. General Wellingtons Sieg über Napoleon 1815 bei Waterloo, durch Flaggensignale nach England übermittelt, las sich erst zum Schluss als Siegesbotschaft: 1. Flagge: Wellington – 2. Flagge: besiegt – Mit nur dem: Oh weh! – 3. Flagge: den Feind – Dadurch: Hurra! Aber wenn sich eine Niederlage unerwartet doch noch zum Sieg wandelt, dann ist die Freude darüber um so größer.

Wenn wir uns doch auch endlich freuen könnten über den Sieg über das Virus! Stattdessen viele offene Fragen? Wer weiß wirklich, was wann zu tun ist? Können wir durch Testen und Impfen den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen? Kann es noch einmal so werden wie vor Corona? Zahlreiche Branchen sehen noch nicht einmal ein Licht, geschweige denn das Ende des Lockdown-Tunnels. Der Rubel rollt nicht. Und auch der Jubel rollt nicht richtig diese Ostern.

Aber auch schon beim ersten Ostern war das nicht anders. Der Siegesjubel schwoll nur langsam an. Zu unglaublich und unheimlich war die Botschaft von der Auferstehung Jesu. Das größte aller Wunder begann gewissermaßen mit einer Schrecksekunde und der Warnung wie bei einem Millionengewinn: Vorsicht! Nicht zu früh freuen! Wer weiß, ob es stimmt? Vielleicht handelt es sich ja um eine Verwechslung. Die größte aller Überraschungen und der Schock einer durch das leere Grab von Jesus komplett veränderten Weltlage musste erst mal verdaut werden, bevor sie als mitreißende Tatsache anschwellenden Siegesjubel erzeugen konnte.

Erinnern wir uns an den sogenannten ungläubigen Jünger Thomas aus Johannes 20. Durch seinen Zweifel an der Auferstehung Jesu lag er zuerst weit hinten. Aber Ostern wandelt den Rückstand in einen Vorsprung. Thomas hatte das erste Meeting der Jünger mit dem Auferstandenen verpasst und konnte Ostern dadurch nicht mehr ohne Beweise glauben. Aber eine Woche später kommt Jesus extra noch einmal für Thomas wieder, überwindet seine Zweifel und überzeugt ihn durch eine persönliche Begegnung. Thomas formuliert dabei das schönste aller Glaubensbekenntnisse und setzt sich mit fünf einsilbigen Worten an die Spitze: „Mein Herr und mein Gott!“ Das ist der Sieg des Glaubens über den Zweifel.

Oder denken wir an die Emmausjünger aus Lukas 24, jene Geisterfahrer, zwar auf der richtigen Spur, aber in die falsche Richtung unterwegs. Mit ihren gehaltenen Augen und trägen Herzen konnten sie den Auferstandenen zuerst einfach nicht erkennen. Aber der geht ihnen nach, mit ihnen mit, geht mit ihnen durch die Bibel und schließlich auf beim Abendmahl wie ein großes Licht. Ostern wandelt Resignation in Faszination. Nach der Sprechstunde und durch die Bibelstunde fällt es ihnen bei der Feierstunde im Gasthaus wie Schuppen von den Augen und sie erkennen ihn. Das ist der Sieg des Lichtes über das Dunkel.

Ja und dann noch der Jünger Petrus in Johannes 21. Er hatte schlimm versagt und Jesus dreimal verleugnet. Aber Ostern wandelt die Niederlage in einen Sieg. Der Auferstandene bringt Ordnung in die Vergangenheit des Petrus mit der Frage: „Hast du mich lieb?“, Sendung in seine Gegenwart mit dem Auftrag: „Weide meine Schafe!“ und Führung in die Zukunft mit der Ansage: Bisher du im Zentrum, jetzt ich. Und nicht trotz seines Versagens, sondern gerade deswegen ist Petrus als Hirte qualifiziert. Das ist der Sieg der Vergebung über das Versagen.

Schließlich die Geschichte von den Jüngern am See Genezareth. Sie warten auf Jesus, aber er bleibt aus. Da wollen sieben von ihnen zurück in ihr altes Leben als Fischer. Aber sie scheitern und stehen in der Morgendämmerung ohne Fang mit leeren Händen da am Ufer. Aber auch Jesus ist inzwischen da, wenn auch unerkannt, und er füllt die leeren Hände. Der Nullpunkt wird zum Wendepunkt. Und Jesus tritt in den Mittelpunkt. Er schickt die Jünger noch einmal aufs Wasser, wo dann wieder Ostern wandelt 0 in 153 durchgezählte Fische. Das ist der Sieg der Fülle über den Mangel. Und das Wunder eines vollen Netzes offenbart Jesus, wird transparent für den Auferstandenen. Johannes schaltet als Erster: „Es ist der Herr!“

Petrus stürzt sich, allerdings nicht ohne Gewand, also in Liebe und zugleich Ehrfurcht, ins Wasser, um so schnell wie möglich bei seinem Herrn zu sein.

Wenn Corona jetzt doch noch dauert, und wir auch mit leeren Händen in der Morgendämmerung dastehen, dann look up im lockdown und nichts wie hin zu ihm, zu Jesus, dem auferstandenen Herrn!

Pfarrer Andreas Gripentrog

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