Doppel-Nachtrennen sind geschlagen

Wie in alten Zeiten. Nach zwei beinahe zuschauerlosen Nachtslaloms war heuer der Hexenkessel in Schladming wieder angerichtet. Schladming durfte sich heuer sogar über zwei nächtliche Flutlichtspektakel freuen. Foto: Martin Huber

Zum zweiten Mal in der der 26. Auflage des Schladminger Nachtslaloms siegt mit Clement Noel ein Franzose. Der überraschend starke Schweizer Ramon Zenhäusern wurde Zweiter, vor dem norwegischen Jungstar Lucas Braathen. Manuel Feller versäumte das Podest um 0,07 Sekunden. Der Riesentorlauf am Mittwoch endet mit einem Doppelsieg für die Schweiz. Mit Marco Schwarz am dritten Platz darf auch Österreich mitjubeln.

In den bisherigen sechs Slaloms der Saison 2022/2023 gab es drei verschiedene Sieger mit jeweils zwei Erfolgen: Henrik Kristoffersen, Lucas Braathen und Daniel Yule. Für die ÖSV-Läufer verlief der Jänner bisher eher enttäuschend: Marco Schwarz 6. in Adelboden und 7. in Wengen, Adrian Pertl 9. in Kitzbühel. Umso mehr sehnten sich die 40.000 Zuschauer danach, beim Heimrennen in Schladming den ersten Saisonsieg eines Österreichers feiern zu können. Nach den (fast) publikumslosen Rennen der letzten beiden Jahre herrschte wieder eine Stimmung wie zu den besten Zeiten dieses Klassikers.

Favoriten im 1. Durchgang vorn

Der vierfache Schladming-Sieger Henrik Kristoffersen eröffnete das Rennen und erzielte mit 54,19 Sekunden eine Zeit, die von keinem der nachfolgenden Läufer mehr erreicht werden sollte. Ihm am nächsten kamen Manuel Feller mit einem Rückstand von 0,13 Sekunden und der Schweizer Loic Meillard (+0,30). Zur großen Enttäuschung der vielen deutschen Zuschauer fädelte Vorjahressieger Linus Straßer bereits beim zweiten Tor ein. Die Mitfavoriten Marco Schwarz und Atle Lie McGrath kamen nicht richtig ins Fahren und wiesen relativ große Zeitrückstände auf. Michael Matt kam mit +4,25 Sekunden nicht in den zweiten Durchgang und damit dürften seine Chancen auf einen Start bei den Weltmeisterschaften in weite Ferne gerückt sein. Nicht viel besser ging es dem Franzosen Alexis Pinturault (+4,04).

„Das vielleicht beste Rennen der Saison“

Um sich für den zweiten Durchgang zu qualifizieren, reichte eine Zeit von exakt plus vier Sekunden. Nach dem Schweizer Nef fiel auch Adrian Pertl mit der bis dahin besten Zwischenzeit aus. Der Norweger McGrath legte einen starken Lauf hin und seine Zeit hielt bis zum späteren Sieger Clement Noel. Unmittelbar nach McGrath startete Marco Schwarz als Zwölfter des ersten Durchgangs. Ein Fahrfehler machte seine Chancen auf die Führung zunichte. Johannes Strolz (9.) hasardierte und verlor nach vielen kleinen Unsicherheiten viel Zeit und wurde nur 16. Nach ihm begrub Kitzbühel-Sieger Daniel Yule die Chance auf einen dritten Saisonsieg auf dem Eis der Schladminger Planai. Die besten Sieben des ersten Durchgangs standen noch oben: Clement Noel legte eine Zeit von 1:48,97 hin. Der Brite Dave Ryding war nach seinem zweiten Platz in Kitzbühel motiviert, beging aber zu viele Fehler. Ramon Zenhäusern kam auf 0,07 Sekunden an die Zeit Noels heran. Lucas Braathen fuhr fehlerfrei, was schließlich mit einem Rückstand von 0,38 Sekunden zu Platz 3 langte. Loic Meillard verbremste seinen Lauf etwas und wurde 5. Ein Fehler schon bald nach dem Start verhinderte eine bessere Zeit von Manuel Feller – wieder nichts mit dem ersten Schladming-Sieg. Für Henrik Kristoffersen ergab sich somit die Möglichkeit, mit einem fünften Erfolg in Schladming eine Alleinstellung zu erreichen (Benni Raich hält gleich wie der Norweger bei vier Siegen). Der sonst so nervenstarke Kristoffersen beging aber schon kurz nach dem Start einige Fehler und fand nicht mehr die richtige Spur. Seine Fahrt reichte schließlich nur zum 11. Platz. „Es tut schon ein bisschen weh, aber es ist wie es ist. Morgen gibt es noch ein Rennen“, resümierte ein enttäuschter Manuel Feller. Überglücklich präsentierte sich der Franzose Clement Noel, der Schlad­ming als das „vielleicht beste Rennen der Saison“ bezeichnete.

Schweizer Doppelsieg beim Riesenslalom

Auch ohne den Weltcupführenden Marco Odermatt untermauerte das Schweizer Riesenslalom-Team die Dominanz im Weltcup. Einen versöhnlichen Abschluss gab es für Österreich durch den dritten Platz von Marco Schwarz. Die Premiere als erster Nacht-Riesenslalom im Weltcup ist Schladming auf der ganzen Linie gelungen.

Die pickelharte bis eisige Piste war mit rund 50 Toren ausgeflaggt und präsentierte sich vom ersten Läufer bis zur Startnummer 67 in gleichbleibend gutem Zustand. Lucas Braathen, der in dieser Saison schon einen Riesenslalomsieg gefeiert hat, eröffnete das Rennen. Seine Zeit wurde schon von den beiden folgenden Läufern Pinturault und Kristoffersen unterboten. Als die Zeit des Norwegers trotz einer fehlerlosen Fahrt vom Schweizer Loic Meillard um 1,06 Sekunden förmlich pulverisiert wurde, konnte man davon ausgehen, dass es die Bestzeit im ersten Durchgang bleiben würde.

Manuel Fellers Rückstand von 1,52 Sekunden reichte hinter Gino Caviezel (SUI) und Kristoffersen zu Platz 4. Dass er nicht nur die schnellen Disziplinen beherrscht, bewies Aleksander Aamodt Kilde mit seinem 8. Rang (vielleicht war er auch beflügelt durch den Vormittagssieg von Mikaela Shiffrin im Riesenslalom von Kormatz!). Zan Kranjec (SLO), Alexis Pinturault (FRAU), Alexander Schmid (GER), der Pinzgauer Stefan Brennsteiner und Atle Lie McGrath (NOR) vervollständigten das Feld der Top-Ten-Platzierten.

Höhepunkte im Entscheidungslauf

Nach abwechselnden Bestzeiten durch verschiedene Läufer bewies der Kärntner Marco Schwarz als 14. des ersten Laufs sein wahres Riesenslalom-Können. Er stellte eine überragende Bestzeit auf, die im zweiten Heat von keinem mehr unterboten wurde und ihm den Podestplatz einbrachte. Von den acht Erstplatzierten des ersten Laufs fiel Manuel Feller als einziger aus.

Kristoffersen unterliefen wie schon im Slalom einige Fehler, er fiel auf den 5. Endrang zurück. Gino Caviezel und Loic Meillard behielten die Nerven und damit ihre Plätze 1 und 2. Für Meillard war es nach drei zweiten und drei dritten Riesenslalomplätzen der erste Weltcupsieg in dieser Disziplin. Eine neuerliche Machtdemonstration der Schweizer Läufer, die selbst den Ausfall des heuer schon in vier Riesenslaloms siegreichen Marco Odermatt verkrafteten.

Für Caviezel war es „ein unglaubliches Rennen auf einer bis zuletzt super Piste, ein Spektakel, wie man es sich nur wünschen kann“. Meillard freute sich, „dass für mich endlich auch im Riesentorlauf alles gepasst hat. Am Start zum 2. Durchgang war ich gar nicht mehr nervös, ich hab‘ mir nur gedacht, es hat der erste Lauf so gut geklappt, warum nicht auch im zweiten“.

Alle Athleten boten an diesen zwei Abenden hervorragenden Sport und verdienten sich den Applaus der insgesamt fast 50.000 Besucher der Rennen. Daneben sind die Organisatoren, freiwilligen Helferinnen und Helfer, Polizei, Rotes Kreuz, WSV Schladming-Mitglieder, die Planai-Hochwurzen-Bahnen und viele mehr hervorzuheben. Gratulation und danke Schladming!

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