Die Bringschuld der jüngeren Generation

Durch eine unkontrollierte Verbreitung des Virus ist das österreichische Gesundheitssystem innerhalb kürzester Zeit ausgelastet. Durch Maßnahmen wie eine Reduzierung der sozialen Kontakte kann diese Spitze abgefangen werden.

Selten zeigte sich eine Problemstellung so ambivalent wie jene mit Covid-19 („Coronavirus“): Von öffentlicher Seite wurde gebetsmühlenartig immer wieder „keine Panik“ wiederholt, während harte Maßnahmen ergriffen wurden, das Virus einzudämmen. Letzteres wird nur bedingt gelingen, jedoch helfen die Maßnahmen das Gesundheitssystem aufrecht zu erhalten und schützen die Hochrisikogruppe.
Die Wahlkonfrontation in Altaussee mit rund 300 Besuchern wurde um keinen Tag zu früh angesetzt: Schon am nächsten Tag wurde von der Bundesregierung ein Erlass herausgegeben, wonach Veranstaltungen mit über 100 Personen innerhalb eines Gebäudes und über 500 Personen bei Freiluftveranstaltungen verboten wurden. Danach folgten laufend stärkere Einschränkungen für das öffentliche Leben.
So wurden am 12. März die Gemeinderatswahlen auf unbestimmt verschoben und werden bis Oktober 2020 nachgeholt. Schon am 10. März wurden die österreichischen Universitäten und Fachhochschulen bis auf Weiteres geschlossen und auf Fernunterricht umgestellt. Gleiches gilt nun seit Anfang der Woche für die höheren Schulen, die Pflichtschulen sowie Kindergärten. Zwar bleibt die „Institution Schule“ weiterhin aufrecht, wie es Bundesminister Heinz Faßmann ausdrückte, jedoch unter anderen Voraussetzungen. Lehrer sollen Journaldienst für Fragen und die Verteilung von Aufgaben haben, die Schüler jedoch so gut wie möglich zuhause bleiben.
Tourismus unter Druck
Was den Tourismus, dem größten Wirtschaftsfaktor im Raum Schladming-Dachstein und dem Ausseerland anbelangt, so sieht der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Ausseerland einen kleinen Vorteil im Zeitpunkt der Verordnungen: „Derzeit ist das Gästeaufkommen sowieso eher gering und es kommt jetzt darauf an, wie lange diese Ausnahmesituation anhält. Mit letztem Wochenende wurden auch das Narzissenbad und die Grimming-Therme geschlossen. Dort wird die sowieso notwendige Revisionszeit vorgezogen. Was unsere Vollversammlung des Tourismusverbandes anbelangt, so haben wir diese, den Vorgaben des Landes und des Bundes entsprechend, schon abgesagt“, so Ernst Kammerer.
Risikogruppe schützen
Anhand der Infektionskurve aus Norditalien kann man erkennen, wie heftig sich das Virus auswirken kann. Dort wurde aufgrund der extremen Ausbreitung auf das normalerweise nur aus Kriegszeiten bekannte „Triagesystem“ umgestellt, bei dem die Ärzte vorweg bewerten müssen, ob der Patient eine Chance hat oder nicht und entsprechend dieser Bewertung ein Intensivbett zugeteilt bekommt oder eben nicht. Um das Gesundheitssystem in Österreich weiter aufrecht zu erhalten und jedem schwer betroffenen Patienten die Möglichkeit zu geben, die bestmögliche Versorgung zu bekommen, muss schleunigst Druck aus dem System genommen werden, was die Regierung mit dem Maßnahmen-Paket zur weiteren Ausbreitung des Virus versucht. Ohne diese Einschränkungen des öffentlichen Lebens wäre die Kurve der Infektionen viel zu steil, als dass diese vom österreichischen Gesundheitssystem abgearbeitet werden könnte (siehe Grafik). Je flacher der Verlauf der Neuinfektionen erfolgt, umso besser können die Patienten versorgt werden. Schützt man nämlich Hochrisikopatienten und Einsatzkräfte sowie Pflegepersonal und Ärzte besonders gut, lässt sich die Spitze der Krankheit abfangen. Somit ist nun jeder Einzelne dazu aufgefordert, seine sozialen Kontakte auf ein Minimum einzudämmen. Das hat nichts mit Hysterie zu tun, sondern sollte eine Bringschuld von der jüngeren Generation gegenüber der älteren sein.
Hohe Dunkelziffer
Da 80 Prozent der Infektionen mild oder sogar symptomlos verlaufen, kann man von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgehen. Vor allem bei Kleinkindern, Kindern, Jugendlichen, Schwangeren und gesunden Personen mittleren Alters verläuft die Infektion zumeist harmlos. Doch es gibt eine eindeutige Altersabhängigkeit. Die Schwere der Infektion nimmt mit fortschreitendem Alter zu. Der Virus verbreitet sich über zwei Wege: durch Tröpfcheninfektion beim Reden, Niesen oder Husten, oder als Schmierinfektion, wie zum Beispiel durch Berührung kontaminierter Türschnallen. Werden diese Krankheitserreger auf die Schleimhäute der Nase, Mund oder Augen gebracht, kann es zu einer Infektion kommen. Da es sich bei Covid-19 um eine Atemwegserkrankung handelt, wandern die Viren von dort zu ihren Zielzellen im Atemapparat, infizieren also zum Beispiel Lungenzellen und vermehren sich in diesen. Der Körper reagiert darauf unter anderem mit einer Entzündungsreaktion, die sich als Lungenentzündung äußern kann.
Durchseuchung und „Herdenimmunität“
Wie lange uns Covid-19 beschäftigen wird, darüber streiten derzeit noch die Wissenschaftler. Schon mehrmals wurde der „Peak“, also die höchste Ausbreitung, für Juli/August prognostiziert. Faktum ist, sobald eine Durchseuchung erfolgt ist, gehen die Neuansteckungen sprunghaft zurück. Experten aus ganz Europa definieren als „kritische Masse“ die Hälfte bis zwei Drittel der Bevölkerung, die infiziert gewesen sein müssen, um Antikörper auszubilden und somit zur Herden­immunität beizutragen. Dies veranlasste schon einige Ökonomen und Virologen zur Überlegung, die junge Generation gezielt und vorbeugend zu durchseuchen. Man geht sogar davon aus, dass durch diese Vorgehensweise Zeit gespart werden könnte. Dies hängt jedoch immer mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit zusammen. Derzeit geht man davon aus, dass ein Erkrankter im Schnitt zwei bis drei andere Menschen infiziert. Diese Quote müsste auf unter den Faktor eins gedrückt werden, um ein Ausbreiten der Krankheit zu verhindern. Dies passiert jedoch erst, wenn mindestens zwei von drei Menschen immun gegen eine Ansteckung sind. Wie bei anderen Viren, wie zum Beispiel Herpes, musste es zu einer Durchseuchung kommen, um die besagte Herden­immunität herbeizuführen. Diese Vorgehensweise ist jedoch insofern schwierig, als dass die Risikogruppe für mehrere Monate in Quarantäne und hermetisch abgeriegelt von der übrigen Bevölkerung leben müsste. Im Gegenzug wird das von den übrigen Ländern Europas nun verordnete System der Reduktion von sozialen Kontakten dann problematisch werden, wenn tausende junge Menschen den Virus bereits hatten, sich eigentlich wieder frei bewegen könnten, jedoch die Restriktionen der Regierung noch aufrecht erhalten bleiben. Dann könnte der Ruf nach einer gezielten Durchseuchung schnell laut werden.
Gefordertes Gesundheitssystem
Um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, wurden schon letzte Woche nicht unbedingt notwendige Operationen verschoben, um Betten für schwere Covid-19-Fälle freizuhalten. Dazu kommt, dass bundesweit nur in Ausnahmefällen Besuche in Spitälern, Alters- oder Seniorenheimen zu tätigen sind.
Was das schwer unter Druck arbeitende Gesundheitssystem anbelangt, so kann jeder Einzelne dies unterstützen, indem man das Risiko der Freizeitunfälle so gut wie möglich minimiert. Jede Verletzung bspw. bei einer Skitour, die behandelt werden muss, bindet lebensrettende Ressourcen, beschäftigt die Mediziner und das Fachpersonal.
Information und Fehlinformation
Was in den letzten Tagen an Fehlinformationen über die Werkzeuge der digitalen Kommunikation passiert ist, war schlicht und ergreifend haarsträubend. Es gab zu keinem Zeitpunkt eine Nahrungsmittelknappheit und auch die sonstige Panikmache war mehr als fehl am Platz.

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