Die Meinungsumfragen vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen in der Türkei sagten der Opposition einen klaren Sieg voraus. Nach der Erdbebenkatastrophe, die massive Korruption im Bausektor zutage gefördert hat, und einer Inflation von beinahe hundert Prozent glaubte kaum jemand an einen Sieg Erdoğans. Jetzt reibt sich die Opposition ungläubig die Augen, die Parlamentswahlen sind verloren und in der kommenden Stichwahl um das Präsidentenamt wird Erdoğan der Sieg wohl auch nicht zu nehmen sein.
Scheinbar hat der Langzeitpräsident doch noch die Mehrheit seiner Landsleute hinter sich. Er hat in der Vergangenheit die Medien und die Justiz gleichgeschaltet und diktiert die öffentliche Meinung nach Belieben. Trotzdem wurde allseits vermutet, dass wegen der sehr schlechten Versorgungslage der Bevölkerung ein Machtwechsel bevorsteht. Dieser hat nun nicht stattgefunden und auch laut Angaben der Opposition soll die Wahl weitgehend korrekt verlaufen sein und die Auszählung das tatsächliche Ergebnis widerspiegeln.
Sowohl die Opposition als auch die westlichen Beobachter der Situation haben die Beliebtheit Erdoğans deutlich unterschätzt. Auch wenn seine Abwahl zum Greifen nahe war und er zudem noch von gesundheitlichen Problemen beeinträchtigt war, hat ihm die Mehrheit der Bevölkerung die Stange gehalten. Das ist zwar keine sonderlich gute Nachricht, aber auch in einer sehr autoritären und beeinflussten Demokratie wird man am Ende des Tages den Wählerwillen akzeptieren müssen.
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