Bergrettung Gesäuse: Einsätze haben sich verdreifacht

Der alpine Rettungsdienst Gesäuse feier  te sein 125-jähriges Jubiläum. Die Bedeutung der Organisation zeigt sich allein schon an den Einsätzen: Im Schnitt muss die Rettungsmannschaft einmal pro Woche ausrücken.

„Es hat sich viel getan in den letzten 125 Jahren“, sagt Raimund Reiter von der Bergrettung Gesäuse. Wurden in den Anfangsjahren der alpinen Einsatzorganisation Verunglückte noch auf Tragestangen, an Latschen gebunden, mit dem Schlitten oder dem Pferdefuhrwerk ins Tal transportiert, stehen heute Leichttragen aus Titan und ein Rettungshubschrauber zur Verfügung. Doch nicht nur das Bergen, „auch die Alarmierung war schwierig“, weiß Reiter: „Entweder ist der unverletzte Tourenpartner ins Tal gerannt, oder der Verunglückte musste solange um Hilfe rufen, bis ihn jemand mit viel Glück gehört hat. Damals konnte es Stunden dauern, bis der Notruf an der richtigen Stelle angekommen war.“ Heute wird die Landeswarnzentrale über den alpinen Notruf 140 verständigt, ganz einfach über das Handy. Die Einsatzleiter der zuständigen Ortsstelle werden anschließend per App alarmiert. Rund zehn Minuten später sitzt schon das erste Team im Auto und macht sich auf den Weg zum Verunglückten. „Die Vorlaufphase hat sich ungemein verkürzt, seit wir die neue Bergrettungszentrale in Admont haben. Zuvor musste jedes Bergrettungsmitglied noch nach Hause, um seine Ausrüstung und seine Einsatzkleidung zu holen. Daher konnten wir erst rund eine halbe Stunde später starten als heute“, nennt Reiter einen wesentlichen Vorteil der 2018 fertiggestellten Einsatzzentrale des alpinen Rettungsdienstes Gesäuse.

 

Bergnot durch Selbstüberschätzung

Auch am vergangenen Dienstag war die Mannschaft im Einsatz. Der Notruf kam vom Admonterhaus. Ein Mann war von einer langen Bergtour derart geschwächt in der Schutzhütte angekommen, dass er über die Trage ins Tal gebracht werden musste. „Der Alarm ging um halb acht ein, um dreiviertel neun waren wir bereits am Admonterhaus oben“, unterstreicht Reiter die rasche Bergung des Verunglückten. Seit das Gesäuse an touristischer Bedeutung gewonnen hat, haben sich die Einsätze von rund 20 auf 60 pro Jahr verdreifacht. Häufigster Auslöser von Bergnot: Selbstüberschätzung. „Bergung wegen Erschöpfung ist ganz oft der Fall“, so Reiter, „die Leute haben zu wenig zum Trinken dabei, können schon nicht mehr und trotzdem gehen sie weiter statt umzudrehen.“ Auch Geländeunkenntnis aufgrund einer mangelnden Tourenvorbereitung ist keine Seltenheit, wie Reiter mitteilt: „Die Leute wissen nicht einmal, wie der Berg heißt, auf dem sie gerade unterwegs sind. Auch das kommt vor.“ Welch dramatische Folgen eine zu geringe Geländekenntnis haben kann, erklärt Reiter anhand einer ganzen Einsatzreihe, die vor 13 Jahren stattgefunden hat: „Damals ist ein Mann aus Litauen von einer Fototour, die er nur im Umkreis des Campingplatzes im Gesäuse machen wollte, nicht mehr zurückgekehrt.“ Die Suche nach dem Vermissten wurde immer weiter ausgedehnt. Von Tag zu Tag sank die Hoffnung, ihn noch lebend bergen zu können. Nach fünf Tagen wurde er schließlich von einer Seilschaft im Ödsteinkar gefunden, die zufälligerweise an der Unglücksstelle vorbeikam. Er war mit kurzen Hosen und Sandalen unterwegs gewesen, obwohl der erste Schnee schon bis auf 900 Meter herab fiel. Am Ödsteinkar ausgerutscht und abgestürzt musste er tagelang mit gebrochenen Beinen ausharren, bevor er gerettet und medizinisch versorgt werden konnte.

 

Mit viel Zeitaufwand und Engagement

Extremfälle wie dieser ereignen sich zwar selten, trotzdem begeben sich die Bergretter bei jedem Einsatz selbst in Gefahr. Am meisten im Winter „Da wir oft nachts ausrücken müssen, ist die Lawinengefahr aufgrund der fehlenden Sicht schwer einzuschätzen. Um die Mannschaft nicht zu gefährden, mussten wir Einsätze auch schon auf den nächsten Tag verlegen“, so Reiter. Um als Bergretter tätig sein zu können, braucht es eine fundierte Ausbildung. Ein Grundkurs im Winter, einer im Sommer und ein abschließender Prüfungskurs bilden die Basis, doch um im Ernstfall keine Fehler zu machen, finden laufend Übungen statt. Diese werden im Sommer einmal pro Monat im freien Gelände abgehalten. Im Winter liegt der Fokus auf der Ersten Hilfe. Zwei Mal pro Jahr finden großangelegte Übungen statt, an denen sich sechs Ortsstellen beteiligen. „Da kommen gleich einmal 60 bis 80 Leute zusammen“, so Reiter. Über Nachwuchsprobleme kann der Verein nicht klagen. „Wir sind in der glücklichen Lage, viele junge engagierte Bergretter zu haben“, sagt Reiter. In Summe zählt der alpine Rettungsdienst Gesäuse 63 Mitglieder, von denen 38 die aktive Bergungsmannschaft bilden.

 

Buchpräsentation zum Jubiläum

Am vergangenen Wochenende hat die Bergrettung Gesäuse als eine der ältesten alpinen Einsatzorganisationen der Welt ihr 125-jähriges Bestehen gefeiert. Zu diesem Anlass wurden Ehrungen überreicht und ein Buch präsentiert, das die Bergrettung Gesäuse von ihren Anfangsjahren bis in die Moderne begleitet. Das Werk „Moderne Zeiten im Gesäuse – 125 Jahre alpines Rettungswesen im Gesäuse“ wurde von Raimund Reiter mit Unterstützung seiner Kollegen Georg Schmid und Obmann Hannes Leinweber verfasst und ist per E-Mail an admont@bergrettung-stmk.at oder direkt bei den Mitgliedern der Bergrettung Admont erhältlich.

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